Beschäftigung Bringt länger arbeiten mehr Jobs?

Nach Einschätzung von Ökonomen führen längere Arbeitszeiten in Deutschland zu mehr Beschäftigung. Aber: Mehrarbeit ohne Lohnausgleich kann nur Teil eines Gesamtpakets sein.

Längere Arbeitszeiten sind nach Einschätzung von Ökonomen ein Weg zu mehr Beschäftigung in Deutschland. Allerdings betonen die Volkswirte auch, dass Mehrarbeit ohne Lohnausgleich nur ein Teil eines Gesamtpakets sein könne, um die deutsche Wirtschaft wieder flott zu machen und Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen.

"Eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich wäre noch die am wenigsten schmerzhafte Maßnahme, um deutsche Arbeitsplätze wettbewerbsfähiger zu machen", sagte der Wirtschaftsweise und Arbeitsmarktexperte Wolfgang Franz. Alternativen könnten schließlich auch Einschnitte beim Urlaubs- oder Weihnachtsgeld oder niedrigere Löhne sein.

Kurzfristig Entlassungen möglich, mittelfristig mehr Stellen

Kurzfristig könnten natürlich Firmen Personal abbauen oder zumindest nicht zusätzlich einstellen, wenn länger gearbeitet werde, räumte Franz ein. Mittelfristig ziehe die höhere Wettbewerbsfähigkeit jedoch mehr Nachfrage an und sorge damit für mehr Beschäftigung. "Der Kuchen wird größer, wenn wir preisgünstiger produzieren können und im internationalen Wettbewerb besser bestehen", sagte Franz.

Am Wochenende hatten sich Vertreter der Wirtschaft und der Union für eine generelle 40-Stunden-Woche ausgesprochen. Neu entflammt war die Debatte durch die Einigung zwischen Siemens und IG Metall, mit einer Verlängerung der Arbeitszeit in zwei Werken die Verlagerung von Stellen ins Ausland zu verhindern.

Exportstärke dank Stellenabbau und Jobverlagerung

Die Gewerkschaften bekräftigten aber ihre Ablehnung einer generellen Arbeitszeitverlängerung, die ihrer Ansicht nach vor allem Arbeitsplätze kosten würde. "Das kann beschäftigungspolitisch nur nach hinten losgehen", sagte Reinhard Bispinck vom gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Eine längere Arbeitszeit als "elegante Methode der Lohnkürzung" sei weder sinnvoll noch notwendig, die zurückhaltende Lohnpolitik der vergangenen Jahre habe die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bereits gestärkt.

Während WSI-Ökonom Bispinck dabei auf die deutschen Rekordexporte verwies, erkennen andere Ökonomen darin keinen Beleg für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Arbeitsplätze. Die Analysten der Deutschen Bank sehen sogar einen Zusammenhang zwischen deutscher Exportstärke und Arbeitsmarktmisere. "Die deutschen Exporte sind trotz eines relativ unflexiblen Arbeitsmarkts und hoher Arbeitskosten im Vergleich zu Euroland weltweit konkurrenzfähiger geworden", heißt es in einer Studie der Bank. "Dies wurde aber großteils durch eine Reduzierung der Beschäftigung und Verlagerung von Teilen der Produktion ins Ausland erreicht."

Ökonomen plädieren für mehr Flexibilität

Als Allheilmittel für die deutschen Probleme taugt eine Arbeitszeitverlängerung jedoch selbst für Befürworter nicht. Vollbeschäftigung, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit entstünden aus dem Zusammenspiel vieler verschiedener Politikbereiche, sagte der Wirtschaftsweise Bert Rürup in einem Interview mit dem NDR. Neben der Arbeitszeit-, Lohn- und Arbeitsmarktpolitik gehörten dazu auch Steuer-, Bildungs- und Innovationspolitik. Andreas Rees von der HypoVereinsbank betonte, dass niedrigere Lohnnebenkosten ein weiterer Schlüssel für mehr Jobs seien.

Die meisten Ökonomen plädierten für mehr Flexibilität an Stelle einer generellen Rückkehr zu höherer Arbeitszeit. So warnte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Gebhard Flaig, Unternehmen davor, nun pauschal längere Arbeitszeiten durchsetzen zu wollen. "Mein Plädoyer ist, dass nun nicht mit der Brechstande für alle Unternehmen längere Arbeitszeiten erzwungen werden sollten", sagte er. Es gebe Unternehmen, bei denen längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich eine sinnvolle Lösung seien, um Arbeitsplätze zu sichern. Insgesamt komme Deutschland wohl nicht umhin, wieder etwas länger zu arbeiten.

Den schon schwachen deutschen Konsum dürften längere Arbeitszeiten insgesamt nach Ansicht vieler Ökonomen nicht weiter bremsen. Auch wenn mehr Arbeit ein Opfer sei, gehe unter dem Strich den Arbeitnehmern kein Geld verloren, sagte Rees. "Gleichzeitig werden die Arbeitsplätze aber sicherer. Dann sind die Verbraucher auch wieder eher bereit, Geld auszugeben."

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