EMMA HELBERGS TAGEBUCH Mahnwachen in New York

Emma Helberg berichtet exklusiv bei stern.de von den Mahnwachen und den Aufräumarbeiten in New York City.

Donnerstag, 13. September 2001, 07:38 (MESZ)

ein weiterer tag ist ueberstanden. ich komme gerade nach hause und bin froh, der beissenden luft draussen entkommen zu sein. mittlerweile plagen uns alle starke kopfschmerzen, denn der wind hat sich gen norden gedreht und weht uns nun den nach verbranntem plastik stinkenden rauch herueber. wenn das doch nur das schlimmste waere...

weitaus tragischer ist die trauer, die nun so langsam den ersten schock abloest und sich in uns breit macht. das realisieren des ganzen ausmasses des anschlags ist schwer und schmerzhaft. am fruehen abend wurde im washington square park eine mahnwache abgehalten. hunderte von menschen kamen, zuendeten kerzen an, hielten sich an den haenden und sangen »give peace a chance«. eine ergreifende szene. zurueck blieb ein trauriges kerzenmeer. blumen, briefe und postkarten sind aufgestellt worden, um ein wenig trost zu spenden.

den menschen, die noch immer inmitten des kerzenmeeres sitzen, ist die trauer und verzweiflung deutlich ins gesicht geschrieben. andere wiederum versuchen, ihre solidaritaet mit den vielen helfern in die tat umzusetzen. sie haben sich an der ecke sixth avenue/houston versammelt, auch hier kerzen aufgestellt, und begruessen und danken jedem feuerwehrmann oder freiwilligen helfer, der aus den truemmern kommt. viele weinen und halten sich im arm. es ist erschuetternd.

ich moechte nicht wissen, welche bilder all die helfer im kopf mit sich rumtragen. wir machen uns auf den weg durch das ausgestorbene soho. denn der bereich suedlich der houston street ist heute noch strenger abgeriegelt. ohne ausweis und 'wohnbeleg' gibt es kein durchkommen. das bild der strassen hier ist gespenstisch. kein auto weit und breit, und die wenigen menschen, die uns begegnen, sind alle maskiert, um sich vor dem starken rauch zu schuetzen.

wir werden versuchen, ein wenig schlaf zu bekommen und kurze zeit die geschehnisse zu verdraengen. denn erschoepft sind wir alle sehr.

18:44

ich bin heute wieder ins buero gegangen. ich wollte einfach hier sein, damit irgend jemand auskunft geben kann. denn mein chef wird sicher erst einmal nicht erscheinen. warum auch? der verlust seiner beiden brueder ist schwer zu verkraften.

der weg hierher war beschwerlich. unterhalb der 14. strasse fahren noch immer keine u-bahnen, insofern musste ich bis zum union square laufen, um von dort aus irgendeine bahn richtung uptown zu erwischen.

natuerlich waren diese vollkommen ueberfuellt. nachdem ich schliesslich einige an mir hatte vorbeifahren lassen, konnte ich mich endlich in eine reindraengen.

ich hatte kein gutes gefuehl in diesem gedraenge und bereute sofort, mich ueberhaupt auf den weg gemacht zu haben. die letzten 10 blocks bin ich dann wieder zu fuss gegangen. beim buerogebaeude angekommen, herrschten auch hier strengste sicherheitsbedingungen. ohne ID kein einlass.

soeben kam eine durchsage in unserem gedaeude, die uns anwies, das haus nicht zu verlassen. es gab soeben eine bombendrohung im nur wenige meter entfernten grand central station.

oh scheisse.

auch wenn heute sicher viel blinder alarm gemacht wird, ist es dennoch kein gutes gefuehl. ich habe angst.

18:47

jetzt berichtet auch cnn von der evakuierung der grand central station. es ist ueberaus beaengstigend, von meinem buerofenster aus auf den ort der bombendrohung zu schauen.

bitte, lass es nur blinder alarm sein!!

19:50

die nachbar-gebaeude (das met-life-building, bear stearns, morgan stanley und das nasdaq-gebaeude) sind evakuiert worden. zwar sind es 'nur' vorsichtsmassnahmen, aber es ist doch aeusserst beunruhigend. ich fuehle mich eingesperrt hier. die informationen, die durchkommen, sind sehr verwirrend. sobald ich kann, werde ich das buero verlassen und mich wieder nach hause bewegen.

diesmal werde ich zu fuss gehen...

mein gott, wann hoert der terror denn endlich auf??!

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