FIRMENÜBERGABE Trennung vom Lebenswerk »Firma« kostet Überwindung

Für einen mittelständischen Firmen-Chef ist es eine schwierige Entscheidung: Wem soll er einst sein Unternehmen übergeben, wann sich von seinem Lebenswerk trennen?

Den potenziellen Nachfolger interessiert, wie ein fairer Preis für das begehrte Objekt zu Stande kommen und die Finanzierung abgewickelt werden kann. Zur Beantwortung solcher Fragen haben das Team Concept, Fachberater der Hamburger Vereins- und Westbank, und die Hamburger Initiative für Existenzgründungen und Innovationen (H.E.I.) jüngst eine seit eineinhalb Jahren bewährte Zusammenarbeit verlängert.

Jeden zweiten Mittwoch und - wegen gestiegener Nachfrage - auch jeden vierten Mittwoch im Monat stehen Berater des Team Concept sowie der H.E.I. gemeinsam im InfoPoint mit ihrem Rat zur Verfügung. »Die schlechte Konjunktur wirkt auf das Gründungsaufkommen nicht demotivierend«, berichtet Martina Krämer, die von der Hamburger BürgschaftsGemeinschaft als Berater kommt. Dennoch klaffe eine Angebotslücke, denn die Nachfrage nach Unternehmensübernahmen ist größer als die Zahl der Objekte am Markt.

Gründe dafür nennt Jörg Finnern vom Team Concept, das seit Anfang 2000 rund 150 Firmennachfolger aus allen Branchen begleitet hat. Mancher Firmenchef dächte zu spät über seine Nachfolge nach oder traue im Fall der Familiennachfolge dem Junior die Firmenführung nicht zu. »Mit 55 sollte man zum ersten Mal über seine Nachfolge nachdenken«, rät Finnern. Von der ersten Idee, wie und an wen die Firma gehen könne, bis zur tatsächlichen Übergabe könne es rund fünf Jahre dauern. Am reibungslosesten laufe sie, wenn der Käufer schon im Betrieb tätig war, berichtet Finnern. Rund ein Drittel seiner Klientel kommt aus den Unternehmen selbst.

Als Paradebeispiel nennt Finnern einen Prokuristen, der vom Chef die Firma kaufte und dann den Senior als Prokuristen anstellte. Dieser Rollentausch - nach außen mit dem Wechsel von Schreibtisch und Büro dokumentiert - soll nach drei Jahren abgeschlossen sein. »Dazu muss die Chemie stimmen«, sagt Finnern.

Mondpreise für das Lebenswerk

Drei wesentliche Phasen prägen nach seiner Erfahrung die Nachfolgeproblematik: Zunächst die Preisfindung, wobei Senioren, die sich für ihr Lebenswerk »Mondpreise« erhofften, von einem marktgerechten Preis überzeugt werden müssten. Dann die Suche nach dem passende Nachfolger, abschließend die Übergabe. Wenn Kunden- und Lieferantenbeziehungen übergeben werden, könne es noch einmal »knirschen«, erläutert Finnern. Auf ein Netzwerk von Fachkräften - Juristen, Steuerberater, Psychologen - kann er zurückgreifen. »Der emotionale Prozess der Firmenabgabe ist eine der größten Herausforderungen an den Altunternehmer.« Vermittelt das Team Concept einen Käufer, erhält die Vereins- und Westbank eine prozentual vom Kaufpreis berechnete Provision.

Den Sprung an die Spitze des Bauspezialartikel-Händlers Elmenhorst in Hamburg-Schenefeld vor eineinhalb Jahren hat Boris Brandt bisher nicht bereut. »Es bringt richtig Spaß, jetzt eigene Ideen durchzusetzen«, sagt der 36-Jährige, der mit zwei Kollegen die 50 Mitarbeiter zählende Firma führt. Zuerst sei viel kreative Energie in die Abwicklung des Unternehmenskaufs geflossen. Allein was an Unterlagen, Anträgen und Unterschriften erledigt werden musste, das gefährde den Standort Deutschland, meint Brandt. Er hat sich vom Gabelstaplerfahrer über den Vertrieb bis in die Chefetage vorgearbeitet.

Auf das »Aussterben der Gründergeneration«, die seit dem Zweiten Weltkrieg den Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft aufbaute, weisen Experten seit Jahren hin. Allein in Hamburg werden nach Verbandsangaben demnach bis 2011 rund 19.000 Unternehmer auf der Suche nach einem Nachfolger sein. Wird er weder in der Familie, noch im Betrieb noch außerhalb gefunden, droht die Stillegung der Betriebe und damit der Verlust von einigen tausend Arbeitsplätzen.

Almut Kipp, dpa

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