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Job-Beratung "Meine älteren Kollegen nehmen mich nicht ernst - wie kann ich das ändern?"

Junge Kollegin im Büro
Junge Kollegin im Büro
© alvarez / Getty Images
Sie bringen Leidenschaft und Engagement im Job mit - doch gerade jüngere Kollegen werden von "alten Hasen" nicht für voll genommen. Das liegt nicht nur am Altersunterschied, weiß Job-Coach Ragnhild Struss.

Liebe Frau Struss, obwohl ich einen tollen Job mache, werde ich häufig nicht für voll genommen mit meinen Vorschlägen. Kaum hat dieselbe Idee dann ein "senioriger" Kollege, wird sie bejubelt. Was mache ich nur falsch, warum nimmt mich keiner ernst? Es kann doch nicht nur daran liegen, dass ich noch keine 30 bin, oder?

Recht zu haben und recht zu bekommen, sind zwei unterschiedliche Dinge. Wer als Rookie glaubt, sofort durch gute Inhalte punkten zu können und ernst genommen zu werden, wird häufig bitter enttäuscht. Da geht es Ihnen wie vielen anderen Berufsanfängern und Young Professionals – vor allem in hierarchisch aufgebauten Unternehmen. Aber mit ein paar Tricks können Sie ganz einfach dafür sorgen, dass Machtspiele für Sie nicht zum Motivations- und Produktivitätskiller werden.

Ragnhild Struss, 39, hilft Menschen dabei, ihre innere Stimme zur Autorität zu machen. In ihrem Unternehmen "Struss und Partner Karrierestrategien" entwickelt sie Karrierewege, die nicht zwangsweise nach "nach oben" führen, sondern zu sich selbst – ob in der Kfz-Werkstatt oder im Konzern. Mit BeBrilliant hat sie  eine App auf den Markt gebracht, die Persönlichkeits- analyse, 360°-Feedback und Coaching "to go" bietet.
Ragnhild Struss, 39, hilft Menschen dabei, ihre innere Stimme zur Autorität zu machen. In ihrem Unternehmen "Struss und Partner Karrierestrategien" entwickelt sie Karrierewege, die nicht zwangsweise nach "nach oben" führen, sondern zu sich selbst – ob in der Kfz-Werkstatt oder im Konzern. Mit BeBrilliant hat sie  eine App auf den Markt gebracht, die Persönlichkeits- analyse, 360°-Feedback und Coaching "to go" bietet.
© Tristan Vostry

Das richtige Maß finden

Vielleicht ist es Ihr natürlicher Impuls, auf die Ignoranz Ihres Chefs zu reagieren, indem Sie noch mehr Gas geben. Sie produzieren Goldideen am Fließband, liefern beste Ergebnisse in kurzer Zeit. Ihr Mantra – performen, performen, performen – lässt Sie im Hamsterrad der Arbeit strampeln, aber nicht zwangsweise sichtbarer werden. Möglicherweise einfach nur müder. Vielleicht schlägt Ihre Stimmung aber auch ins Gegenteil. Nach dem Motto: "Bringt ja eh nichts!" Wenn Sie sich benachteiligt fühlen und trotzig, traurig oder zickig sind, können Sie sich noch so sehr zusammenreißen: Ärger und Enttäuschung bahnen sich ihren Weg, oft sogar unbewusst über Gestik und Mimik. Ihr Gegenüber wird das spüren und sich mehr auf Ihr Verhalten als auf Ihre Argumente konzentrieren. Statt also in blinden Aktionismus zu verfallen oder die innere Kündigung zu verfassen, sollten Sie Ihre Reputation strategisch aufbauen.

Erst die Pflicht, dann die Kür

Egal, was passiert: Auf der Kompetenzebene dürfen Sie keine Abstriche machen. Gerade in Ihrer Situation ist es wichtig, weiterhin positiv zu bleiben und durch fundiertes Fachwissen zu überzeugen. Schließlich wäre es ja kontraproduktiv, wenn Sie in einem guten Moment die ungeteilte Aufmerksamkeit hätten und dann nichts Substanzielles beitragen könnten. Ihre Fähigkeiten bilden die Grundlage. Aber Glaubwürdigkeit und Vertrauen in Sie werden nicht nur auf der fachlichen, sondern vor allem auf der persönlichen Ebene gestärkt. Das heißt für Sie: umdenken und an anderen Stellschrauben drehen. Und zwar an denen, die Sie selbst in der Hand haben. 

Anfangen sollten Sie bei einem stabilen Selbstwert. So banal dieser Tipp klingt, so wertvoll ist er. Denn Menschen, die zu sich selbst stehen und sich mit ihren Stärken, Kompetenzen und Entwicklungsfeldern voll und ganz annehmen, haben eine sehr viel höhere Anziehungskraft als andere. Sie ruhen in sich selbst – und strahlen das auch aus.  

Selbstbewusstes Auftreten können Sie in kleinen Schritten üben. Zum Beispiel durch Ihre Sprache. Mit relativierenden Formulierungen wie eventuell, vielleicht oder ein bisschen beschneiden Sie sich selbst in Ihrer Überzeugungskraft. Klar auf den Punkt gebracht, haben Ihre Argumente schon rein verbal mehr Stärke und Nachdruck. Der Ton macht die Musik. Auch nonverbal können Sie an Ihrem Ausdruck arbeiten. Wählen Sie in Meetings immer einen mittigen Platz, auf dem man Sie nicht übersehen kann, und halten Sie Blickkontakt, wenn Sie mit jemandem sprechen. Tricksen Sie mit Ihrer Kleidung und nutzen Sie z.B. einen Blazer, der Ihnen etwas mehr Autorität verleiht. Das geht allerdings nur, wenn der Dresscode in Ihrem Unternehmen ohnehin eher förmlich ist. Ansonsten gilt: Ziehen Sie an, worin Sie sich gut und sicher fühlen.

Gut Ding will Weile haben 

Ernst genommen zu werden ist oft auch eine Frage der Zeit. Wenn Sie neu und voller Tatendrang in einen Job starten, sollten Sie mit Ihren Erwartungen realistisch bleiben. Gehen Sie davon aus, dass Sie sich den Respekt Ihrer Kollegen erstmal erarbeiten müssen – mit Mühe und Geduld. Je feingliedriger die Rangordnung ist, umso länger kann es dauern, in den inner circle aufgenommen zu werden. Versuchen Sie, einen "Noch ist alles halb so wild"-Blick auf die Dinge zu haben und gelassen zu bleiben. Zeigen Sie ehrliches Interesse an Ihren Kollegen und geben auch Sie etwas Persönliches von sich preis. Nahbarkeit, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit sind wichtige Voraussetzungen, um ein vertrautes Verhältnis aufzubauen, in dem Sie gehört und geschätzt werden.

Perspektive wechseln

Bevor Sie Ihre Ideen vorbringen, sollten Sie sich fragen, welchen Wert sie für das Unternehmen haben. Wechseln Sie die Perspektive und versetzen Sie sich in die Lage Ihres Chefs. "Der Wurm muss dem Fisch schmecken – und nicht dem Angler!", heißt es so treffend. Das bedeutet nicht, dass Sie Ihrem Chef nach dem Mund reden, sondern vielmehr den Blick für Vorschläge schärfen sollen, die ihm das Leben erleichtern. Und die diskutieren Sie dann am besten im Dialog. Wenn Sie im Gespräch offene Fragen stellen, aktiv zuhören und mit Ihren Antworten Lösungen präsentieren, haben Sie gute Chancen, Beachtung zu finden. Direkt zum Chef zu gehen, ist Ihnen eine Nummer zu groß? Dann suchen Sie sich einen Kollegen, dessen Meinung Gewicht hat. Machen Sie ihn im Eins-zu-eins-Kontakt zum Verbündeten und Fürsprecher Ihrer Ideen. Im Tandem zu starten, kann sich für den Anfang auszahlen.

Nach vorne gucken 

Wenn alles Abwarten und Taktieren erfolglos bleibt, und Sie weiterhin übergangen werden, hilft es nichts: Sie müssen das Problem offen ansprechen. Denken Sie dabei daran, nicht destruktiv oder vorwurfsvoll zu wirken, sondern im positiven Sinne Ihr Engagement zu zeigen. Fragen Sie zum Beispiel, was Sie tun müssen, um mehr Aufmerksamkeit für Ihre Beiträge zu gewinnen. Sicher ist das kein einfaches Gespräch. Aber ruhig und freundlich vorgetragen, wird Ihr Chef Ihnen kaum einen Hinweis verwehren können.

Ragnhild Struss

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