Viele Menschen im Land haben die letzten Streiks der Ärzte noch vor Augen und verstehen nicht, warum die Mediziner an den Krankenhäusern jetzt schon wieder mehr Geld fordern.
Die letzten Verhandlungen vor anderthalb Jahren haben eigentlich nur dazu geführt, dass wir enorme Einkommensverluste abwehren konnten. Die Arbeitgeber hatten vor, den Tarif für den öffentlichen Dienst über die Ärzte zu stülpen. Zuvor wurden wir nach Bundesangestellten Tarifvertrag (BAT) bezahlt. Letztlich haben wir keine zweistellige Lohnerhöhung gehabt wie gern von den Arbeitgebern behauptet wird, sondern allenfalls eine Erhöhung, die sich im niedrigen einstelligen Bereich abspielt. Dafür haben wir einen eigenen Tarifvertrag für Ärzte bekommen und sind gern ein solches Opfer eingegangen. Jetzt wollen wir aber erreichen, dass wir Ärzte an den kommunalen Häusern auch tatsächlich mehr Lohn erhalten. Wir fordern deshalb eine Entgeltsteigerung von durchschnittlich zehn Prozent.
Warum haben Sie den Beruf des Arztes gewählt?
Für mich kam nie etwas anderes in Frage. Vielleicht noch Pharmazie, wenn es mit dem Medizinstudium nicht geklappt hätte, aber den Beruf des Arztes habe ich nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger aus schierer Begeisterung ergriffen und würde es trotz der schwierigen Rahmenbedingungen immer wieder tun. Mich fasziniert die Materie und die Möglichkeit den Menschen helfen zu können.
Seit wann stehen Sie im ärztlichen Krankenhausdienst? Und haben Sie nie daran gedacht, sich zu verändern?
1985 wurde ich zum Arzt approbiert. Ab Mitte`86 war ich für mehrere Jahre am Uniklinikum in München beschäftigt. Später ging ich für fast 15 Jahre zu einem kommunalen Krankenhaus. In dieser Woche habe ich dort meinen letzten Arbeitstag. Die Umstände an den deutschen Kliniken haben mich jetzt dazu gebracht noch einmal neu anzufangen. Ich strebe eine Tätigkeit an, bei der ich mich komplett verwirklichen kann.
Hat sich in Ihrer klinischen Zeit viel verändert?
Es ist viel passiert in dieser Zeit. Leider nicht zum Besten. Die Politik gibt den Rahmen vor. So müssen wir immer mehr Patienten in einer kürzeren Zeit behandeln. Das Arbeitsaufkommen ist gestiegen und der bürokratische Aufwand gewachsen. Uns bleibt immer weniger Zeit für den einzelnen Patienten und das bedauern wir sehr. Wir arbeiten im Schnitt 60 Stunden in der Woche.
Bleibt Ihnen noch genug Zeit für Freizeitaktivitäten oder der Familie?
Das ist ja der Punkt, den viele Ärzte bemängeln. Bei der genannten Arbeitszeit und vielen Wochenenddiensten bleibt kaum Zeit für die Familie. Meine Frau und meine drei Kinder sehe ich sehr selten. Das wollte ich ändern und habe jetzt die Hoffnung als selbstständiger Anästhesist künftig mehr Zeit für sie zu haben. Ich möchte, dass die Patienten wieder mehr von uns Ärzten haben. Auch wir Ärzte werden einmal Patienten und möchten gut behandelt werden.
Sollte es am Mittwoch zu keiner Einigung zwischen Ärzten und Arbeitgebern kommen, werden höchstwahrscheinlich Streiks folgen. Werden Sie auch wieder dabei sein?
Bis dahin bin ich ausgeschieden aus dem Klinikdienst. Ich werde aber mit dem Herzen auf jeden Fall bei den Kollegen sein. Wenn ich noch im Krankenhaus arbeiten würde, wäre ich auf jeden Fall dabei. Die Streiks vor fast zwei Jahren habe ich maßgeblich für unseren Bereich hier in Bayern mitorganisiert. Ich stehe immer noch voll dahinter, was der Marburger Bund von den Arbeitgebern fordert, habe aber auch Verständnis für die Arbeitgeber. Wir sitzen schließlich alle im selben Boot.
Interview: Susanne Wächter