Herr Schaar, darf der Arbeitgeber Kameras installieren, um Mitarbeiter zu überwachen?
Nur sehr eingeschränkt. Paragraf 6b des Bundesdatenschutzgesetzes regelt die Ausnahmen, wenn es sich um einen öffentlich zugänglichen Raum handelt: Die Kameras müssen dann gut erkennbar sein. Außerdem müssen diejenigen informiert werden, die überwacht werden, etwa durch Hinweisschilder. In Räumen ohne Publikumsverkehr, etwa in Büroräumen, darf nur dann eine Videoüberwachung eingesetzt werden, wenn es zur Gewährleistung der Sicherheit erforderlich ist.
Ist ein Supermarkt auch ein öffentlicher Raum?
Ja, selbstverständlich.
Und wenn die Kameras kleiner sind als eine Streichholzschachtel und das Objektiv kleiner ist als ein Ein-Cent-Stück?
Dann würde ich das als eine verdeckte Überwachung ansehen, die grundsätzlich verboten ist.
Aber einen Mitarbeiter, der klaut, muss man doch überwachen dürfen, oder?
Wenn ein Arbeitgeber einen begründeten Verdacht hat, dass ein Mitarbeiter Diebstähle begeht, dann wäre es zulässig, einem solchen Verdacht nachzugehen. Doch auch dann muss der Arbeitgeber zunächst versuchen, den Verdacht offen zu klären. Selbst dann dürfte man den Mitarbeiter nicht gleich überwachen. Die Observation muss vielmehr das letzte und das einzige Mittel sein, den Verdacht aufzuklären. In jedem Fall unterliegt die Videoüberwachung auch der Mitbestimmung des Betriebsrates.
Was ist mit der Überwachung von Mitarbeitern, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen?
So was ist grundsätzlich unzulässig. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wie im Kassenbereich einer Bank, müssen Mitarbeiter die Überwachung hinnehmen, weil hier besondere Sicherheitsrisiken bestehen. Das persönliche Verhalten des Mitarbeiters außerhalb der Arbeit geht den Arbeitgeber grundsätzlich nichts an. So was darf kein Chef ausforschen.
Was heißt "persönliches Verhalten"?
Etwa die Ausforschung der häuslichen Verhältnisse. Auch wenn registriert wird, wie häufig jemand auf die Toilette geht, ist das möglicherweise ein Hinweis auf eine gesundheitliche Einschränkung. Das wäre schon ein sehr weitgehender Eingriff in Persönlichkeitsrechte. Solche Dinge auch noch zu filmen und sie in einem Bericht an Vorgesetzte festzuhalten wäre ein schwerer Verstoß. Ich gehe davon aus, dass, wenn solche Vorgänge bekannt werden, die zuständige Datenschutzbehörde tätig wird und Ermittlungen einleitet.
Worauf können sich Arbeitnehmer eigentlich berufen, wenn sie sich gegen die heimliche Überwachung wehren wollen?
Bisher nur auf das Grundgesetz Artikel 2, das die freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt, und auf das Bundesdatenschutzgesetz. Besser wäre es aber, wir hätten ein eigenes Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz. Ich fordere das seit Langem, der Deutsche Bundestag hat mich dabei auch unterstützt. Aber weder die rot-grüne noch die jetzige Große Koalition haben irgendwelche einschlägigen Aktivitäten erkennen lassen.
Was würde so ein Gesetz denn bringen?
Es könnte klar regeln, welche Daten ein Arbeitgeber erheben und wie er damit umgehen darf, etwa bei der Videoüberwachung. Auch angesichts der neuen technischen Überwachungsmöglichkeiten - Stichwort Internet am Arbeitsplatz - ist so ein Gesetz dringend nötig.
Was passiert denn, wenn ein Arbeitgeber gegen das Datenschutzgesetz verstößt?
Ihm droht ein Bußgeld von maximal 250.000 Euro. Das sind für einen großen Konzern eher Peanuts. Die Geldbuße muss deutlich erhöht werden, sonst ist das keine echte Strafe. Es ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Arbeitsleben bisher nicht ausreichend geschützt hat.