Rat vom Jobcoach Ich habe Long Covid und komme nicht mehr im Job klar – was jetzt?

Von Reinhild Fürstenberg
Auch Monate nach der Genesung haben manche Covid-Erkrankte noch mit Erschöpfung zu kämpfen
Auch Monate nach der Genesung haben manche Covid-Erkrankte noch mit Erschöpfung zu kämpfen
© Poike / Getty Images
Frau G. ist seit ihrer Covid-Erkrankung am Arbeitsplatz nur gering belastbar, oft stark erschöpft und kann sich nicht richtig konzentrieren. Expertin Reinhild Fürstenberg erklärt, wie wir mit Corona-Langzeitfolgen umgehen können und zurück in unsere alte Kraft finden.

Frau G.* kommt seit ihrer Covid-19-Erkrankung, die nun schon einige Wochen zurückliegt, nicht mehr richtig in ihrem Job an. Sie erzählt in der Beratung, dass die Erkrankung selbst relativ harmlos verlief – doch seitdem ist sie ständig müde, unkonzentriert und nun seit einiger Zeit tatsächlich arbeitsunfähig. Zuvor fiel sie immer wieder krankheitsbedingt aus, sei es wegen Magen-Darm-Problemen, auf Grund von Schmerzen, Atemnot oder Angstzuständen. Selbst wenn sie mal arbeiten konnte, machte sie Fehler, die ihr vorher nicht passiert wären.

Daraus entwickelte sich ein weiteres Problem für Frau G., denn einzelne Kolleg*innen stellten zunehmend infrage, ob es ihr wirklich so schlecht ging, da sie auf den ersten Blick gar nicht so krank wirkte. Unangenehm war Frau G. auch, dass ihre Kolleg*innen dauernd für sie mitarbeiten mussten und dadurch deren Schreibtische noch voller waren. Auch ihre Führungskraft fragte sie immer wieder nach Lösungsansätzen für die schwierige Situation, worauf Frau G. allerdings selbst keine Antwort hatte. Die Arbeit überforderte sie zunehmend und so war die Arbeitsunfähigkeit ein unaufhaltbarer Schritt. 

Reinhild Fürstenberg
Reinhild Fürstenberg ist Gesundheitswissenschaftlerin, systemische Beraterin und Familientherapeutin
© Verena Reinke

Long Covid – ein unklares Krankheitsbild

Frau G. besuchte in ihrer Not zunächst zahlreiche Ärzte. Nach unterschiedlichen und nicht zufriedenstellenden Diagnosen fühlte sie sich noch verunsicherter und sah kein Licht am Ende des Tunnels. Weder für sich und ihre Gesundheit, noch für eine schnelle Rückkehr an ihren Arbeitsplatz, den sie auf keinen Fall verlieren wollte. Irgendwann saß sie nur noch erschöpft und hoffnungslos zuhause und ihre Ängste nahmen zu.

Frau G. ist eine von 10 bis 20 Prozent der Covid-19-Patient*innen mit Corona-Langzeitfolgen. Da die Krankheit selbst noch vergleichsweise unerforscht ist, ist vielen Ärzten noch nicht vollends klar, wie sie das unübersichtliche Symptom-Bild in eine umfassende Therapie gießen können. Langzeitfolgen können dabei nahezu sämtliche Körperteile, Systeme und Organe an fast jeder Stelle des Körpers betreffen. Mittlerweile sind sich Expert*innen und Wissenschaftler*innen jedoch darüber einig, dass Long-Covid, also das Auftreten von Beschwerden vier bis zwölf Wochen nach Beendigung der akuten Infektion, und auch Post-Covid, sprich Beschwerden, die über einen längeren Zeitraum als zwölf Wochen nach der eigentlichen Infektion fortbestehen oder neu auftreten, nur durch eine gezielte ganzheitliche Behandlung in den Griff zu bekommen sind. 

Stationäre Therapie in der Klinik

Frau G. berichtet mir ausführlich von ihrer verfahrenen Situation und ihren Ängsten. Da vor allem ihre körperlichen Beschwerden zugenommen haben, sie sehr erschöpft ist und mit der ambulanten medizinischen Versorgung gar nicht weiterkommt, empfehle ich ihr, über eine drei- bis fünfwöchige stationäre Behandlung nachzudenken. Einzelne Kliniken sind auf die umfassende Behandlung von Long- und Post-Covid spezialisiert und verfügen über ein breites Netzwerk an Fachmedizinern, die eng zusammenarbeiten. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen wird hier möglich gemacht, ein Punkt, der Frau G. besonders wichtig ist, denn in ihrem Alltag fühlt sie sich mit ihrem Leiden oft unverstanden. 

Frau G. ist anfangs ein wenig skeptisch, da sie befürchtet, aufgrund des Klinikaufenthaltes noch länger auf der Arbeit auszufallen und ihrer Chefin und den Kolleg*innen damit noch mehr Sorgen und Stress zu bereiten. Im Verlauf des Gesprächs wird ihr klar, wie wichtig es jetzt ist, alles dafür zu tun, wieder gesund zu werden und damit auch wieder gestärkt und verlässlich arbeiten zu können. Mit ihrer Führungskraft besprechen wir die Situation und die Möglichkeiten, die Frau G. nun hat. Auch über ein betriebliches Wiedereingliederungsverfahren beratschlagen wir. Ich stelle den Kontakt zu einer Klinik her, mit der wir zusammenarbeiten und wo sie mit nur wenig Wartezeit aufgenommen werden kann. Frau G. ist erleichtert, dass sich endlich etwas tut und sie nicht mehr alleine und hilflos dasteht. Auch ihre Chefin ist froh, dass sie fortan besser planen kann und es Klarheit und eine neue Perspektive für Frau G. gibt. 

Den Alltag anpassen

Anschließend bespreche ich mit Frau G., wie sie mit ihrer Erschöpfung umgehen kann, bis sie in die Klinik geht. Ich rate ihr, den Alltag gezielt auf das anzupassen, was sie jetzt braucht und ihr Immunsystem zu stärken. Wichtig ist es, eine gute Balance zu finden zwischen leichten Aktivitäten und Ruhephasen, um sich weiterhin erholen zu können. Ich empfehle Frau G., vielleicht ein paar beruhigende Atemübungen in ihren Alltag einzubauen und täglich raus zu gehen, um frische Luft zu tanken. Sie kann auch aufschreiben, wie sie sich tagsüber fühlt, um einen Überblick zu bekommen, unter welchen Bedingungen es ihr am besten geht und wie sich ihre Symptome verändern. Geht es ihr merklich besser, könnte sie ihrer Führungskraft z.B. anbieten, digital wieder für ein paar Stunden einzusteigen und wieder erste Aufgaben zu übernehmen. Frau G. kann dann auch ihre privaten Aktivitäten wie Sport oder Aufgaben im Haushalt langsam steigern. Zudem will sie auch auf eine nährstoffreiche Ernährung achten, die den Heilungsprozess noch zusätzlich unterstützt. 

Frau G. fühlt sich gut informiert und auf ihre Zeit in der Klinik vorbereitet. Hilfreich ist für sie auch die Erkenntnis, dass sie kein Einzelfall ist und dass es sich bei Long- und Post-Covid um ein Krankheitsbild handelt, das noch weitgehend unerforscht ist. Dieser Ansatz gibt Frau G. Hoffnung, bald wieder ihrem Job nachgehen zu können und in ihr altes Leben zurück zu finden. Die Prognose ist gut, denn in der überwiegenden Zahl der Fälle bilden sich die Beschwerden bei ganzheitlicher Behandlung von Long- und Post-Covid nach einigen Wochen wieder vollständig zurück.

Hier meine Tipps für Sie:

  • Versuchen Sie nicht, allein mit den einzelnen Symptomen einer Covid-Erkrankung zurecht zu kommen. Holen Sie sich Hilfe und zwar frühzeitig.
  • Nehmen Sie wahr, dass es sich bei Long- und Post-Covid um ein Krankheitsbild handelt, dessen Komplexität und Notwendigkeit einer fachübergreifenden Behandlung noch nicht gänzlich bekannt ist.
  • Suchen Sie sich ein auf die Behandlung von Post- und Long-Covid spezialisiertes (Klinik-)Netzwerk.
  • Lassen Sie sich – falls nötig –  auf Ihrem Weg psychologisch begleiten. Mentale Gesundheit kann den Heilungsprozess deutlich unterstützen.
  • Besprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber frühzeitig gemeinsame Wege und Lösungen wie z.B. ein Wiedereingliederungsverfahren, das Sie dabei unterstützt, schrittweise zurück an den Arbeitsplatz zu kehren.
  • Gehen Sie in Kontakt mit anderen Betroffenen. Gemeinsam können Sie sich unterstützen und begleiten.
  • Setzen Sie auf alles, was das Immunsystem nachhaltig stärkt: Nährstoffreiche und ausgewogene Ernährung, leichte Bewegung, viel frische Luft, ausreichende Entspannung und alles, was Ihrer Seele guttut.

* Fallbeispiel aus der Beratungspraxis des Fürstenberg Instituts. Der Fall wurde mit dem Einverständnis der Betroffenen anonymisiert.

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