Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung stehen dieses Jahr etwa 70.000 Übernahmen in Familienbetrieben an - knapp zwei Drittel aus Altersgründen. Aber nicht jedes Unternehmen geht an einen Spross aus der Familie.
Ob Sohn oder Tochter: Das berufliche Erbe der Eltern anzutreten, bringt Verantwortung für den Nachwuchs und Kopfschmerzen für die Eltern. Dennoch: Der fließende Übergang von Wissen und Macht in einem Familienunternehmen ist ein großer Vorteil, denn ein Know-how-Abfluss findet nicht statt. Aber leicht und schnell findet ein Einstieg in den elterlichen Betrieb selten statt. Meist ist das eine langfristige Angelegenheit, die für beide Seiten gut überlegt sein will.
Das klassische Konkurrenzverhalten zwischen Vätern und Söhnen kennen Töchter meist nicht. Treten sie in die Fußstapfen der Väter, beherrscht eher der gute Rat das Zusammenarbeiten als die Konkurrenz. Rivalität ist kein Thema: Nina Öger, Tochter des Öger-Tours-Gründers, beschreibt die Zusammenarbeit mit ihrem Vater in einem Interview der Zeitschrift "Vogue Business": "Wir sind uns sehr ähnlich, doch vielleicht fühle ich weniger Konkurrenz, als ein Söhn es täte."
Dennoch verläuft die Nachfolge nicht immer reibungslos. Kim-Eva Wempe stieg zwar an ihrem 32. Geburtstag zur persönlich haftenden Gesellschafterin des Familienunternehmens "Wempe" auf. Doch erst acht Jahre später gab ihr Vater den Chefsessel für sie frei.
Und die Spanierin Ana Botín ist zwar Präsidentin der viertgrößten Bank Spaniens, gilt als eine der besten Geschäftsfrauen der Welt, ob sie jedoch an die Spitze der Bank aufsteigen wird, ist ungewiss. Ihr 14 Jahre jüngerer Bruder hat zwar nicht ihre Erfahrungen, er ist jedoch ein Sohn.
Die Nachfolge im über 155 Jahre alten Familienunternehmen Underberg ging in der Vergangenheit nicht ganz so reibungslos. Um diese kostspieligen Erbschaftsstreitereien zu vermeiden, entschied der Vater von Hubertine Underberg-Ruder, in der nächsten Generation das Zepter an das fähigste Kind zu übergeben - egal ob Tochter oder Sohn, ob jünger oder älter. Zur Überraschung vieler ging der Herrscherstab nicht an den einzigen Sohn, sondern an die älteste Tochter.
Aber ob nun Tochter oder Sohn: Ohne Lust auf Verantwortung, Erfahrung im Konzern und unternehmerisches Gespür bekommen sie den Chefsessel heutzutage nicht mehr zugeschoben.
Kim-Eva Wempe (Juwelier Wempe)
Kim-Eva Wempe
Vater: Helmut Wempe, "aktiver Aufsichtsrat".
Nach dem Abitur ging Kim-Eva Wempe nach Berlin und studierte BWL. Mittlerweile führt die Hamburgerin das Familienunternehmen ohne ihren Vater. Das Unternehmen befindet sich bereits in vierter Generation im Familienbesitz.
Gisa und Hedda Deilmann (Peter Deilmann Reederei)
Gisa (r.) und Hedda Deilmann (Zwillinge, Jahrgang 1968)
Vater: Peter Deilmann, Gründer der Peter Deilmann Reederei.
Hedda Deilmann machte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und trat 1990 in das Unternehmen ein.
Gisa Deilmann studierte internationale Hotelbetriebswirtschaft und war danach im Ausland tätig. Anfang 2003 trat auch sie in das Familienunternehmen ein.
Dr. Hubertine Underberg-Ruder (Getränkeunternehmen Underberg)
Dr. Hubertine Underberg-Ruder
Vater: Emil Underberg II
Hubertine Underberg-Ruder ist promovierte Mikrobiologin. Seit 1990 sitzt sie im Verwaltungsrat der schweizerischen Dachgesellschaft des Getränkeunternehmens. Seit 1991 ist sie dessen Präsidentin.
Im Hause "Underberg" wird der schleichende Übergang praktiziert: Spätestens 2010 soll Underberg-Ruder alle Machtpositionen im Haus übernommen haben.
Ana Botín (Banesto-Bank)
Ana Botín
Vater: Emilio Botín, Chef der Santander-Gruppe, zu der die Banesto-Bank gehört.
Die Volkswirtin Ana Botín arbeitete nach ihrem Studium in Harvard zunächst für J.P. Morgan in Mardrid und New York. Die dreifache Mutter und Präsidentin der Banesto-Bankist mit einem Agrarfachmann verheiratet. Botíns Vater Emilio durfte selbst erst an die Macht, als sein Vater im Alter von 90 Jahren starb.
Eva-Katarina Cramer (Brauerei Warsteiner)
Eva-Katarina Cramer
Vater: Albert Cramer, Seniorchef der Privatbrauerei Warsteiner.
Wann Eva-Katarina Cramer die Führung bei der Brauerei übernehmen wird, steht noch nicht fest. Zurzeit arbeitet sie bei der Investmentbank J. P. Morgan in London, zuvor war sie im Ausland tätig, in den USA und in Frankreich. Eva-Katarina Cramer würde die Warsteiner-Brauerei in der siebten Generation übernehmen.