Mit gerade mal 34 Jahren spielt Sarna Röser schon eine bemerkenswerte Zahl von Rollen. Als Tochter eines mittelständischen Tiefbauunternehmers ist sie fest als nächste Chefin des Familienbetriebs eingeplant. Sie hat aber auch selbst ein Start-up gegründet und ist als Bundesvorsitzende des Verbandes "Die jungen Unternehmer" unterwegs. Nebenbei sitzt sie im Aufsichtsrat von Fielmann und ist Beirätin bei der Deutschen Bank.
Außerdem hat sie schon einige Erfahrung als Investorin in der Start-up-Szene gesammelt. In der Gründershow "Die Höhle der Löwen" ist sie am Montag, 25. April, als Gast-Investorin auf dem Löwenstuhl zu sehen. Höchste Zeit, die umtriebige Macherin näher kennenzulernen.
Frau Röser, wir haben zwei Jahre Pandemie hinter uns, jetzt einen Krieg mit all seinen Folgen und eine Klimakrise sowieso. Wieviel Spaß macht es eigentlich, Unternehmerin zu sein, wenn man nur von einer Krise in die nächste stolpert?
Es sind heftige Zeiten. Unser Familienunternehmen wird nächstes Jahr 100 Jahre alt und ich mache mir viele Gedanken, wie ich als Nachfolgerin zukünftig unser Unternehmen umbauen muss, damit wir auch in den nächsten 20, 30, 50 Jahren bestehen. Aber ich brenne für das Unternehmertum, ich will mein eigener Chef sein, eigene Ideen in die Tat umsetzen und andere Menschen begeistern. Daher jammere ich nicht.
Ihr Familienbetrieb Karl Röser & Sohn betreibt ein Zementrohr- und Betonwerk im baden-württembergischen Mundelsheim. Das ist klassischer industrieller Mittelstand. Was ist derzeit die größte Herausforderung?
Ganz akut sind es die Energiepreise und die Lieferketten. Beispielsweise fehlen unserem Lieferanten für Gummidichtungen Vorprodukte wie Ruß, der normalerweise aus der Ukraine oder Russland kommt. Wir schauen im Moment von Woche zu Woche, wo wir was herbekommen und zu welchen Preisen, auch Transport oder unsere Rohstoffe wie Zement und Sand sind extrem teuer geworden. Außerdem beschäftigt uns in der gesamten Baubranche der Fachkräftemangel – uns fehlen Arbeiter, Lkw-Fahrer, Fachkräfte. Und natürlich ist Nachhaltigkeit ein Riesenthema: Wie schaffen wir es, Produktionsprozesse umzustellen, um klimaneutral zu werden? Das ist für mich als Familienunternehmerin der nächsten Generation eine existenzielle Frage.
Ihr Vater Jürgen Röser führt das Unternehmen derzeit in dritter Generation. Wann haben Sie das erste Mal realisiert, dass sie in eine Unternehmerfamilie geboren wurden und vielleicht mal den Laden übernehmen werden?
Ich kann mich gut erinnern, wie mein Vater mich und meine jüngere Schwester schon als Kinder zu den Weihnachtsfeiern und Sommerfesten mitgenommen hat. Von klein auf war die Firma immer präsent, auch zu Hause, wenn der Papa am Abendbrottisch erzählt hat, was heute wieder alles bei der Arbeit los war. Mein erstes Schülerpraktikum habe ich bei uns in der Buchhaltung gemacht. Und als Jugendliche habe ich mich dann langsam ernsthaft damit auseinandergesetzt, dass ich da mal einsteigen könnte.
Wollten Sie nicht auch mal was ganz Anderes werden als Ihr Vater?
Doch, es gab auch Phasen, in denen ich Anwältin werden oder in die USA gehen und da in einem Start-up mitarbeiten wollte. Aber mit 18, 19 Jahren habe ich begriffen, dass es eine tolle Chance ist, das Familienunternehmen fortzuführen und dass mir das sehr am Herzen liegt. Es gibt hier Mitarbeiter, die sind länger im Betrieb als ich alt bin. Man kennt sich, man kennt oftmals auch deren Kinder, das ist schon was anders als in einem Konzern, wo man oft nur eine Nummer ist.
Sie arbeiten jetzt als designierte Nachfolgerin in ihrer Unternehmensgruppe, aber Ihr Vater sitzt als Chef noch fest im Sattel und darf alles bestimmen. Wie groß ist da das Konfliktpotenzial?
Natürlich gibt es Konfliktpotenzial. Mein Vater kennt meine kleinen Ticks und ich kenne seine – die hat ja jeder. Aber zum Glück verstehe ich mich mit meinen Eltern und mit meiner Schwester sehr gut. Wir arbeiten gerne zusammen und treffen uns trotzdem noch am Wochenende zum Grillen oder machen gemeinsam Urlaub. Ich brauche da keinen klaren Cut zwischen Arbeit und Privatem.
Aber ab und zu kracht es doch sicher auch. Verraten Sie doch mal einen Streitpunkt zwischen Vater und Tochter.
Okay. Bei uns in der Firma geht es um 6 Uhr los und mein Vater ist schon ein ziemlich früher Vogel. Ich dagegen bin eher der Typ, der später beginnt und später produktiv ist. Das konnte er anfangs gar nicht verstehen, dass ich einen anderen Arbeitsrhythmus habe. Umgekehrt musste auch ich lernen, dass man nicht immer das Rad neu erfinden muss, sondern dass bestimmte Dinge aus gutem Grund so gemacht werden.

Sie kümmern sich in der Unternehmensgruppe federführend um die Beteiligungsgesellschaft, mit der Sie in Start-ups investieren. In dieser Rolle treten Sie nun auch als Gast-Investorin in der "Höhle der Löwen" auf. In was für Unternehmen investieren Sie?
In den letzten Jahren haben wir vorwiegend in Tech-Start-ups investiert. Ein Beispiel, das sich sehr gut entwickelt, ist die Online-Sprachschule Lingoda aus Berlin. Weitere Investments waren die Bewertungsplattform Proven Expert oder das vegane Food-Start-up Another Milk. Mich müssen immer die Idee und das Gründerteam begeistern. Bei der Idee sind drei Faktoren wichtig: Innovation, Skalierbarkeit und Relevanz.
Gibt es etwas, das Gründerinnen besser können als Gründer?
Also zunächst einmal: Ja, wir brauchen mehr Gründerinnen und ich würde mich freuen, wenn wir mehr Frauen motivieren können, mutig zu sein, auszuprobieren, dafür setze ich mich auch ein. Aber ich möchte andererseits auch keine große Unterscheidung machen zwischen Gründerin und Gründer. Mir geht es darum, dass sie oder er Biss, eine Vision, eine tolle Idee hat.
Was halten Sie von Frauenquoten in den Führungsetagen von Unternehmen?
Ich bin gegen Frauenquoten, weil ich glaube, das bringt nicht viel. Wir müssen eher an das Warum ran. Warum gründen weniger Frauen? Warum gibt es weniger Frauen in Führungspositionen? Warum übernehmen weniger Frauen Familienunternehmen? Wenn ich mich mit Freundinnen austausche, merke ich, dass immer noch die Betreuungssituation vielerorts nicht gut ist. Es fehlen in Deutschland immer noch Hunderttausende Kita-Plätze, vor allem für Unter-Dreijährige. Da muss der Staat die Rahmenbedingungen schaffen.
Kann gendergerechte Sprache einen Beitrag leisten?
Ich selbst gendere nicht, weil ich nicht glaube, dass sich durch die Sprache die Zahl an Frauen in Führungspositionen und der Gründerinnen erhöhen wird. Dafür braucht es wie gesagt eine gute Infrastruktur, aber auch gute Netzwerke und mehr Sichtbarkeit von echten Vorbildern wie guten Unternehmerinnen.
Sie sind nicht nur Unternehmerin und Investorin, sondern auch Vorsitzende des Verbandes "Die jungen Unternehmer"? Was sind – abgesehen von mehr Kinderbetreuungsangeboten – Ihre Kernforderungen an die Politik?
Wir brauchen einen Turbo in Sachen Digitalisierung. Warum ist es nicht möglich, dass ich in kurzer Zeit ein Unternehmen digital gründe? Warum sind wir immer noch nicht digital in der Verwaltung? Wann bekommen wir einen vernünftigen Breitbandausbau in der Fläche? Diese Themen müssen schnell angegangen werden. Auch gegen den Fachkräftemangel könnte die Politik mehr tun: Viele Menschen sind mit Anfang 60 noch gesund und motiviert und hätten Interesse, länger zu arbeiten. Die letzte Regierung hat da in der Rentenpolitik falsche Signale gesetzt, zum Beispiel mit der Rente mit 63, die häufig von gut ausgebildeten Fachkräften in Anspruch genommen wird. Wir als Mittelstand würden uns freuen, wenn ältere Mitarbeiter länger im Beruf bleiben und würden sie mit Handkuss nehmen. Und über allem brauchen wir natürlich eine kluge und effiziente Klima- und Wirtschaftspolitik.
Die Stimme der jungen Generation in Sachen Klimaschutz sind die Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future. Wie stehen Sie als junge Unternehmerin aus der klimaschädlichen Betonindustrie zu der Bewegung?
Ich finde es gut, dass sich junge Menschen politisch interessieren und engagieren. Inhaltlich bin ich nicht immer der gleichen Meinung, weil mir manches zu ideologisch aufgeladen ist. Wir müssen auch über Lösungen reden. Wir haben heute alle verstanden, dass wir uns verändern müssen. Jetzt geht es darum, wie wir es schaffen, klimaneutral zu werden, ohne Arbeitsplätze und Wohlstand zu gefährden. Man darf nicht alle Unternehmen in einen Topf schmeißen und als die Bösen an den Pranger stellen.