Nach der gescheiterten Einführung eines Mindestlohns für die Briefbranche sieht das Bundesarbeitsministerium offenbar im Postgesetz einen Hebel zur Durchsetzung höherer Gehälter in der Branche. Die Wettbewerber seien nach Ansicht des Ministeriums nämlich verpflichtet, ihre Gehälter an den Tarifen des Ex-Monopolisten zu orientieren - und damit kräftig anzuheben, schreibt die "Berliner Zeitung" in ihrer Internetausgabe.
Nach "Paragraf 6, Absatz 3, Nummer 3 Postgesetz" sei eine "Lizenz für den Briefmarkt unter anderem zu versagen", wenn die üblichen "wesentlichen Arbeitsbedingungen" im Briefsektor "nicht unerheblich" unterschritten würden. So argumentiere der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Gerd Andres (SPD), in einem Schreiben vom 14. September an den SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel.
Droht Post-Konkurrenten der Lizenz-Entzug?
Er ist der Vorsitzende des Beirates der Regulierungsbehörde Bundesnetzagentur. Zu den "wesentlichen Arbeitsbedingungen" zähle Andres "vor allem die auszuübende Tätigkeit, das Arbeitsentgelt, die Arbeitszeit und den Erholungsurlaub".
Ein "nicht unerhebliches Unterschreiten der üblichen Arbeitsbedingungen" und damit einen Grund, eine Brieflizenz zu widerrufen oder erst gar nicht zu erteilen, sehe der Staatssekretär immer dann, sobald die Beschäftigten eines Brief-Unternehmens "zehn Prozent oder mehr" schlechter gestellt seien. Welcher Vergleichsmaßstab anzulegen sei, habe der Staatssekretär gleich mitgeteilt: "Berücksichtigt man die Marktanteile und die Beschäftigtenzahl der Deutschen Post AG, ist für die 'Üblichkeit der Arbeitsbedingungen' und damit für die Festlegung einer Bezugsgröße für 'ein erhebliches Unterschreiten' der Bereich der Deutschen Post AG zwingend einzubeziehen", heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliege. An dieser Rechtsauffassung habe sich nichts geändert, ließ Andres der "Berliner Zeitung" mitteilen.
Stundenentgelt jenseits des geforderten Mindestlohns
Danach seien Post-Konkurrenten im Briefmarkt wie die vom Springer-Verlag beherrschte Pin-Group nach Ansicht des Arbeitsministeriums auch ohne Mindestlohn gesetzlich verpflichtet, ihre Löhne an die bei der Post AG gezahlten Tarife anzulehnen - was zu einem empfindlichen Kostenschub führen würde, heißt es in dem Blatt.
Würde als Lohnmaßstab nur der vergleichsweise niedrige Einstiegstarif der Post von 11,43 Euro je Stunde herangezogen, müssten die Wettbewerber ihren Beschäftigten gut zehn Euro Stundenlohn zahlen - deutlich mehr, als der am Widerstand der CDU gescheiterte Mindestlohn für den Briefmarkt betragen sollte, schreibt das Blatt.
Würden hingegen die von der Bundesnetzagentur bisher ermittelten Durchschnittslöhne aller gut 200.000 Beschäftigten im deutschen Briefmarkt gewichtet herangezogen, so könnte diese Lohnuntergrenze für die Post-Wettbewerber noch viel höher ausfallen: 12,77 Euro wären dann je Stunde mindestens fällig - 4,37 Euro oder 53 Prozent mehr, als die Unternehmen derzeit ihren Beschäftigten im Schnitt zahlten.