Tarifkonflikt Gewerkschaft weitet Streik aus

Im Tarifstreit beim öffentlichen Dienst sind verhärtet. Nach dem Gesprächsabbruch in Baden-Württemberg bewegt sich die Rhetorik von Arbeitgebern und Verdi zwischen Standhaftigkeit und Gesprächsbereitschaft.

Nach dem Abbruch der Tarifverhandlungen für die mehr als 200.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg will die Gewerkschaft Verdi die Streiks in der kommenden Woche auf kleine Gemeinden und Kreise ausdehnen. Bei Schwimmbädern, Theater und Straßenmeistereien sollen dann weitere 10.000 Mitarbeiter die Arbeit auf unbestimmte Zeit niederlegen. "Wir sind sehr wohl in der Lage, die Auseinandersetzung noch auszuweiten", sagte Verdi-Verhandlungsführer Alfred Wohlfart am Donnerstag in Stuttgart. Von Montag an seien in Baden-Württemberg täglich bis zu 20.000 Beschäftigte bei Kliniken, Stadtreinigungen und Ämtern im Streik. Die Streikkasse lasse die Verschärfung des Arbeitskampfes zu. Der Gewerkschafter signalisierte zugleich Verhandlungsbereitschaft. "Verdi steht zu jeder Tages- und Nachtzeit zu konstruktiven Gesprächen bereit."

Der kommunale Arbeitgeberverband bekräftigte seine Forderung nach einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit um 1,5 auf 40 Stunden. Sein Verhandlungsführer, Mannheims Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD), sagte, "der Öffentliche Dienst ist kein Schonraum." Die kommunalen Betriebe und Einrichtungen müssten produktiver werden. Andernfalls wachse der Druck zu verstärkten Privatisierungen. "Wir müssen rasch wieder an den Verhandlungstisch." Sein Verband werde neue Lösungsmodelle entwickeln, kündigte er an. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hingegen warf den Arbeitgebern Borniertheit vor. Sie habe bei den Tarifverhandlungen der vergangenen Jahre noch nie "so dogmatische und bornierte" Verhandlungspartner erlebt, wie derzeit in Baden-Württemberg, sagte Verdi-Landesleiterin Sybille Stamm am Donnerstag in Karlsruhe bei einer Streikkundgebung.

Kein Winterdienst in Stuttgart

Im Südwesten waren am Donnerstag nach Verdi-Angaben erneut bis zu 10.000 Beschäftigte bei den Kommunen und Landeseinrichtungen im Streik. Nach der Beauftragung von Privatfirmen mit der Müllentsorgung in Stuttgart will Verdi nun von Freitag an den Winterdienst in der Landeshauptstadt komplett einstellen. Auch die bisher zugesagte Notfallentsorgung von Müll soll wegfallen.

Die Arbeitgeber lehnten einen Gewerkschaftsvorschlag in Anlehnung an das Hamburger Modell ab und boten einen Abschluss mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 39,7 Stunden an. Abgestuft nach Lebensalter sollte die Arbeitszeit auch länger ausfallen. Diese längeren Arbeitszeiten lehnt Verdi kategorisch ab. "Wir sind nicht bereit, dem Diktat der Arbeitgeber am Nasenring zu folgen", sagte Wohlfart. Die von den Arbeitgebern angebotene durchschnittliche Wochenarbeitszeit mache in Baden-Württemberg der 6000 Arbeitsplätze überflüssig, rechnete die Gewerkschaft vor. Der in Baden-Württemberg seit knapp vier Wochen laufende Arbeitskampf wurde auch in anderen Bundesländern fortgesetzt. Erstmals legten 3000 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes in Bremen die Arbeit nieder.

Hamburger Kompromiss "sehr bürokratisch"

Eine Übernahme des jüngsten Tarifabschluss für die etwa 20.000 Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in Hamburg kommt auch für die Länder nicht in Frage, die in der kommenden Woche erneut mit der Gewerkschaft verhandeln. Es gebe keine Veranlassung, von der Forderung nach der generellen 40-Stunden-Woche abzurücken, sagte der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring im Deutschlandfunk. Der in Hamburg geschlossene Kompromiss könne kein Modell für andere Abschlüsse sein. Auch Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) sagte, Hamburg könne kein vorbildliches Modell sein. Die Vereinbarung sei sehr bürokratisch und bringe nur eine sehr moderate Arbeitszeiterhöhung.

Der in Hamburg erzielte Tarifabschluss sieht eine nach Alter, Verdienst und Kinderzahl gestaffelte Anhebung der Arbeitszeit vor. Vor allem Besserverdienende und Jüngere sollen länger arbeiten. Nach der Einigung hatte Verdi den Streik in der Hansestadt sofort beendet. Damit wird in Hamburg auch wieder der Müll abgefahren. Die während des 16-tägigen Streiks angefallenen 30.000 Tonnen Müll sollen binnen zehn bis 14 Tage entsorgt werden.

Der Vorsitzende der Tarifunion im Deutschen Beamtenbund, Frank Stöhr, äußerte sich mit Blick auf die nächste Verhandlungsrunde mit den Ländern zuversichtlich. "Mit dem Abschluss von Hamburg ist Bewegung ins Spiel gekommen", sagte Stöhr der Tageszeitung "Die Welt". Die Gewerkschaft habe erstmals für einzelne Beschäftigungsgruppen der 40-Stunden-Woche zugestimmt.

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