Trotz neuer Gespräche der Tarifparteien in Baden-Württemberg nimmt der Arbeitskampf im öffentlichen Dienst weiter an Schärfe zu. Die Gewerkschaft Verdi kündigte am Mittwoch in mehreren Bundesländern eine Ausdehnung des Streiks an. Alleine am Mittwoch beteiligten sich daran 36.000 Beschäftigte in elf Bundesländern. In Stuttgart setzten derweil kommunale Arbeitgeber und Verdi Baden-Württemberg ihre Sondierungsgespräche an einem unbekannten Ort fort. Nach einer mehrtägigen Verhandlungspause versuchen beide Seiten seit Dienstag im kleinen Kreis, eine Lösung in dem seit fünf Wochen andauernden Tarifstreit für Baden-Württemberg zu finden.
In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, bei den weiteren Sondierungsgesprächen würden die "weit auseinander liegenden Position" ausgelotet, über den Inhalt sei Stillschweigen vereinbart worden. Nach Angaben aus Gewerkschaftskreisen könnte über die Schaffung von Ausbildungsplätzen samt Übernahmegarantie eine soziale Komponente eingeführt werden. Außerdem können sich die Verdi-Vertreter eine Staffelung der Arbeitszeiten nach Lebensalter vorstellen, wie sie in Hamburg bereits vereinbart wurde. Erwogen wird für die baden-württembergischen Städte und Gemeinden demnach auch eine Familienkomponente, die zum Beispiel Alleinerziehende besser stellt als Ledige.
Zwölftes Bundesland vor dem Streik
Als zwölftes Bundesland soll sich ab Donnerstag auch Hessen an den Protestaktionen beteiligen. Verdi rief vor allem Beschäftigte der Städte, Gemeinden, kommunalen Sparkassen, Landkreise und der Landesverwaltung auf, mit eigenen Solidaritätsaktionen gegen eine Verlängerung der Arbeitszeit aktiv zu werden. Dabei stünden allein in Hessen fast 8500 Stellen auf dem Spiel. Im Saarland hatte die Gewerkschaft bereits für Mittwoch zu einem "halbtätigen Generalstreik" im öffentlichen Dienst aufgerufen. Auch in Nordrhein-Westfalen sprach Verdi von einer "härteren Gangart". Die Landesvorsitzende Gabriele Schmidt kündigte weitere Warnstreiks an und erklärte, die Gewerkschaft werde so lange keine Gespräche mehr mit den kommunalen Arbeitgebern mehr führen, wie diese den Gedanken an eine Arbeitszeitverlängerung nicht fallen ließen.
In Hamburg befanden sich am Mittwoch über 600 Mitarbeiter der Bezirksämter, des Landesbetriebes Verkehr und der Autobahnmeistereien Stillhorn und Othmarschen im Ausstand. Rund 400 von ihnen demonstrierten durch den Stadtteil Bergedorf. In Thüringen traten nach Verdi-Angaben 15 Beschäftigte der Autobahnmeisterei Zella-Mehlis in den Ausstand. Sie sind zuständig für Schneeräumung, Straßeninstandhaltung und Beseitigung von Unfallschäden auf der A 71 zwischen Ilmenau und der bayerischen Landesgrenze. In Baden-Württemberg waren trotz Wiederaufnahme der Gespräche laut Gewerkschaft am Mittwoch über 11.000 Beschäftigte im Ausstand. In der Münchner Innenstadt demonstrierten 3.000 Beschäftigte gegen Stellenabbau und Tarifkürzungen, darunter auch Mitglieder der Gewerkschaft der Polizei.
FDP für Besteuerung der Streikgelder
Unter Politikern wächst derweil parteiübergreifend Sorge über die Auswirkungen des anhaltenden Streiks. Der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) warnte vor einer Gefährdung der Konjunktur. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle griff die Gewerkschaft Verdi an und schlug eine Besteuerung der Streikgelder vor. Der SPD-Politiker Rainer Wend wiederum äußerte Sorge über eine dauerhafte Schwächung der Gewerkschaften und attackierte den Verhandlungsführer der Länder, den niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring (CDU).