Verfassungsklage Mehr Kohle fürs Großstadt-Revier

Einem Münchener Polizisten reicht sein Gehalt nicht, weil die Lebenshaltungskosten seines Dienstorts zu hoch sind. Deshalb klagt er in Karlsruhe für eine "angemessene" Bezahlung - zum Leidwesen der Gewerkschaft.

Seit Peter Steininger vor einigen Jahren ein paar Besoldungsgruppen nach oben gerutscht ist, hat er weniger Geld als vorher. 51 Jahre ist er alt, und seit seiner letzten Beförderung Kriminalhauptkommissar. Der bayerische Staat überweist ihm monatlich mehr als 4000 Euro, Zuschläge für Polizeidienst und die drei Kinder inklusive. Das hört sich nach einem ganz passablen Einkommen an.

Doch mit dem Gehaltssprung ist für Steininger die Ballungsraumzulage weggefallen, ein Bonus, den der Freistaat seinen Beamten in München zahlt, einer der "teuersten Städte überhaupt", wie er beklagt. Dass sein Einkommen wegen der teuren Arbeitsstätte nicht ausreicht, findet der Polizist verfassungswidrig. Er möchte "angemessen" entlohnt werden und ist deshalb vor das Bundesverfassungsgericht gezogen.

Zigtausende können auf Gehaltserhöhungen hoffen

Ein Polizist verklagt Deutschland - und das Karlsruher Urteil könnte die Besoldung von zigtausenden Beamten im ganzen Land durcheinander rütteln, weshalb nicht zuletzt die Finanzminister der Länder gebannt auf die Entscheidung warten. Denn sollte Peter Steininger gewinnen, könnten Polizisten, Richter und Lehrer in Großstädten und Metropolregionen auf höhere Gehälter hoffen. Das bayerische Finanzministerium soll für diesen Fall schon damit gedroht haben, die Entlohnungen bei nicht betroffenen Landesbediensteten zu kürzen. Offiziell heißt es beim Finanzministerium, im Freistaat werde die Beamtenbesoldung nach dem Leistungsprinzip abgestuft, nicht nach dem örtlichen Kostenniveau.

Seit fast sieben Jahren versucht der Kriminalhauptkommissar zusammen mit seinem Anwalt Heinrich Amadeus Wolff von seinem Dienstherrn die "angemessene Bezahlung" zu erzwingen - zuletzt hatte das Bundesverwaltungsgericht seine Klage abgeschmettert. Allein, dass er es mit seinem Anliegen bis nach Karlsruhe geschafft hat, wertet Steininger als Erfolg: "Ich bin stolz und glücklich, nach all den Jahren jetzt die Ziellinie vor Augen zu haben", sagt er. Zweifel daran, ob sein Anliegen vor den obersten Richtern bestehen wird, hat er nicht.

Ausgerechnet das bayerische Wirtschaftsministerium hatte Steininger vor drei Jahren entsprechende Munition geliefert: Nach einem wenig überraschenden Ergebnis einer Studie ist München im Vergleich mit allen anderen Städten des Landes die teuerste. Im Vergleich zum schwäbischen Dinkelsbühl seien die Lebenshaltungskosten sogar 30 Prozent höher, heißt es dort. Ungerecht sei es also, so das Argument des Klägers, dass er als Münchener genauso viel oder wenig verdient, wie seine Kollegen aus Dinkelsbühl.

Weil diese Schieflage bei den Lebenshaltungskosten schon länger besteht, hatte die bayerische Landesregierung 1990 den bereits erwähnten Ballungsraumzuschlag, im Behördendeutsch "ergänzende Fürsorgeleistung" genannt, eingeführt - als einziges Bundesland und als rechtlich äußerst wackeliges Konstrukt. 75 Euro gibt es, dazu 20 pro Kind. Der Zuschlag ist für jene Beamten gedacht, die in München dienen müssen. Allerdings ist der Ballungsraumzuschlag eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber, also eine, auf die niemand einen gesetzlichen Anspruch hat.

Regionalzuschläge bis zu zehn Prozent

Trotz dieses Bonusses "sind viele Kollegen gegen ihren Willen in der Stadt. Sie wollen weg, weil München so exorbitant teuer ist", sagt Steininger. Der Zuschlag, ohnehin ein eher symbolischer Betrag, fällt allerdings weg, wenn die Besoldungsgruppe A11 erreicht ist. Dann verdienten die Beamten auch für Münchener Verhältnisse ausreichend, finden die Arbeitgeber. Steininger nicht. Er will erreichen, dass es Regionalzuschläge gibt, die bis zu zehn Prozent des Gehalts ausmachen können.

So etwas in der Art hatte es früher schon einmal gegeben. Diese Ortszuschläge wurden 1971 aber abgeschafft, weil sie das Tarifgeflecht allzu kompliziert gemacht hätten. Genau das befürchten nun auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Beamtenbund (Dbb). "Natürlich gönnen wir Herrn Steininger eine Gehaltserhöhung", sagt Peter Schall, bayerischer GdP-Vizechef. Allerdings werde es für den Fall, dass Karlsruhe Peter Steininger Recht geben sollte, erhebliche Abgrenzungsprobleme geben, so Schall: "Die Ortszuschläge wurde abgeschafft, weil es schwierig war, faire und nachvollziehbare Grenzen zu ziehen - also wer, wo, wie, welchen Betrag mehr bekommt."

Vor allem aber, stört die Gewerkschaften der Gedanke, dass angesichts knapper öffentlicher Kassen eventuelle Gehaltserhöhung auf Kosten derjenigen gehen könnte, die eben nicht in den Großstädten wohnen. Sprich: Die Beamten aus der Provinz gehen zahlen indirekt die Gehaltserhöhungen für ihre Kollegen aus den Metropolen mit.

"Keine Regionalisierung der Besoldung"

Ähnlich sieht es der Deutsche Beamtenbund: "Wir wollen nicht, dass nach der Föderalisierung nun zu einer Regionalisierung der Besoldung kommt. Jeder Polizist in gleicher Position soll überall in Deutschland das gleiche verdienen", heißt es offiziell. Und ein Beamtenvertreter sagt hinter vorgehaltener Hand: "Wenn der Steininger in Karlsruhe gewinnt, dann haben wir hier bald tausende von Tabellen und keiner weiß mehr, wer, wo, was verdient." Außerdem sei es doch sein Problem, wenn er mit dem Geld nicht auskomme, schließlich zwinge ihn niemand in München zu wohnen.

Auch der Bund und Bayern lehnen das Anliegen des Hauptkommissars ab. Der Gesetzgeber habe einen weiten Gestaltungsspielraum und müsse regionale Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten nicht berücksichtigen, sagte die Bundesbevollmächtigte Monika Böhm, nach der ersten Anhörung des Falls in Karlsruhe. Peter Steininger selbst ist zufrieden: "Die Ausführungen der Sachverständigen haben, wie ich finde, meine Position eher untermauert." Dem Urteil, dass für Februar, März 2007 erwartet wird, sieht der Hauptkommissar nun optimistisch entgegen.

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