Kommentar "Alles für alle..."

  • von Karin Spitra
"... und alles umsonst" hieß es neulich auf einem Anti-Hartz IV-Transparent, das stolz bei der letzten Montagsdemo hochgehalten wurde. Toller Gedanke - ich hätte dann übrigens gerne auch mehr davon.

Leider findet sich bei den um sich greifenden Protesten gegen die anstehende Arbeitsmarktreform neben der üblichen deutschen Mieselsucht und grassierenden Reformmüdigkeit auch erschreckend viel Ahnungslosigkeit. Jüngstes Beispiel: Die Zumutbarkeit von Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose.

Irrglaube Nr. 1

Viele glauben, dass diese Jobs, mit denen ALG II-Empfänger ihre Stütze aufbessern sollen, in ganz normalen Firmen abgeleistet werden und so ein staatlich subventionierter Niedriglohn-Sektor entsteht. Oder noch schlimmer: dass dadurch dann womöglich "normale" Jobs vernichtet werden, weil die Ein-Euro-Jobs für die Firmen ja viel günstiger sind. Stimmt nicht: diese Jobs wird es nur in gemeinnütziger Arbeit geben. Derzeit durchkämmen die Wohlfahrtsverbände und Kommunen ihr Angebot nach solchen Möglichkeiten - und so kommt es auch, dass als Beispiel gerne Gartenarbeit in städtischen Grünanlagen genannt wird. Ein-Euro-Jobs könnten Aufsicht in städtischen Bücherhallen sein, wie Begleitung von Behinderten bei Ausflügen. Es könnte Arbeit in städtischen Suppenküchen sein, Streichen von Schulgebäuden oder Vorlesen im Altenheim. Vielleicht ist es ja für jemanden, der lange arbeitslos war, ein schönes Gefühl, gebraucht zu werden.

Irrglaube Nr. 2

Von einem Euro Stundenlohn kann man nicht leben. Stimmt. Soll aber auch niemand. Dieses Geld ist ein Zuverdienst, und zwar ein legaler, der noch dazu der Gemeinschaft dienen soll. Und dieses Geld darf der ALG II-Empfänger ganz behalten: So kann er bei einer Vollzeit-Ein-Euro-Stelle immerhin auf einen Zusatzverdienst von 160 Euro im Monat kommen - durch die Zuverdienstregeln blieben ihm von einem 400-Euro-Minijob nur 60 Euro.

Natürlich gibt es Unsicherheiten, natürlich gibt es noch Ecken und Kanten, die abgeschliffen werden müssen, aber dabei darf doch das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Diese Reformen wurden nicht aus Bosheit oder Willkür beschlossen - sondern schlicht, weil die Staatskassen leer sind. So kommen wir um das Ende des uns bekannten Wohlfahrtsstaates nicht herum. Und um schmerzhafte, aber notwendige Einschnitte auch nicht.

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