Lange sind die guten, alten Zeiten für Martin Schwärzel noch gar nicht her. "Früher fühlten sich alle zur Klinik zugehörig", sagt er, "heute sieht man schon an der Kleidung, dass wir getrennt sind." Schwärzel ist Betriebsrat eines zu einem privaten Konzern gehörenden hessischen Krankenhauses. Vor mehr als zehn Jahren, erzählt er, wurden erstmals ganze Klinikteile ausgelagert - die Arbeitnehmer bekamen das nach seiner Darstellung massiv zu spüren. Fälle wie der von Schwärzel zeigen, was hinter dem Koalitionsstreit um eine Arbeitsmarktreform um Werkverträge und Leiharbeit steckt.
Leiharbeit: Regeln gegen Missbrauch finden
Eigentlich waren sich Union und SPD einig. Regeln gegen den Missbrauch dieser Arbeitsformen sollte es geben, rund eine halbe Seite füllt das sozialdemokratische Anliegen im Koalitionsvertrag. Im November sickerte ein erster Entwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) dazu durch. Was nicht gelungen war: Regeln zu finden, die sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften ok finden. Seither geht der Streit auch in der Koalition hin und her. Die Kanzlerin mahnte Korrekturbedarf an, die CSU ist gegen die Pläne, SPD-Chef Sigmar Gabriel sprang Nahles zur Seite. Was verbirgt sich dahinter?
Aus Sicht von Betriebsrat Schwärzel haben die Werkverträge bei seiner Klinik schleichende Verschlechterungen für viele gebracht. Ob Reinigung, Pforte, Technik, Verwaltung oder Catering - viele Leistungen seien in unternehmenseigene Tochtergesellschaften ausgelagert worden. Nach Tarif würden die Mitarbeiter zwar bezahlt - aber nach dem zum Zeitpunkt der Auslagerung geltenden. "Seit Jahren haben sie keine Gehaltserhöhung mehr bekommen", sagt der Betriebsrat.
Als Betriebsrat für Werkverträge in Tochter-Unternehmen nicht zuständig
Für Neuangestellte gelten andere Tarif- oder einfache Arbeitsverträge. Vor allem aber: "Alle Neuangestellte werden nur noch befristet sechs Monate angestellt - und danach ausgetauscht."
Und: Als Betriebsrat der Klinik sei er für die Angestellten der ausgelagerten Betriebe nicht zuständig. Wenn er sie im Klinikgang treffe, sei ihnen Angst anzumerken - sie trauten sich nicht, ihn überhaupt anzusprechen.
Nun will auch Nahles keine Werkverträge verbieten. Immerhin handelt es sich um traditionelle Instrumente, mit denen Unternehmen flexibel bestimmte Leistungen von anderen Firmen erbringen lassen. Wie aber kann Missbrauch eingedämmt werden, der auf Lohndumping oder das Zurückdrängen von Betriebsräten abzielt?
Scheinselbstständigkeit als Risiko
Vorgesehen sind einzelne Kriterien - quasi gesetzlich festgeschriebene Indizien, wann es sich wirklich um einen regulären Vertrag solcher Art handelt - und wann nicht. Beispiel: Wenn eine Leistung nur für ein Unternehmen erbracht wird und/oder nur in dessen Räumen, dann dürfte es sich eher um illegale Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinselbstständigkeit handeln. Eine Gesamtschau soll zählen.
Handwerk am Pranger
Doch die Arbeitgeber warnen: Stehen solche Kriterien erst einmal im Gesetz, sind plötzlich zum Beispiel Hunderttausende redliche Handwerksbetriebe am Pranger. Beispiel: Das Legen von Rohrleitungen.
"Wie soll ich denn da einen Werkvertrag machen, ohne das in den Räumen eines Unternehmens zu tun?", fragt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. "Es geht nahezu um das gesamt Handwerk."
Normale Werkverträge nicht behindern
Szabolcs Sepsi berät in Dortmund Arbeitnehmer aus Osteuropa, die sich von deutschen Arbeitgebern schlecht behandelt fühlen. Er berichtet: Im Sommer kamen rumänische Schweißer zu ihm - angestellt bei einer rumänischen Werft. "Ob es nur eine Briefkastenfirma ist, wissen wir nicht." Gearbeitet hätten sie auf einer Werft in Duisburg, zuerst für 8,50 Euro Mindestlohn. "Als sie zu uns kamen, hatten sie seit zwei Monaten kein Geld bekommen." Ihr rumänischer Arbeitgeber hatte Insolvenz angemeldet - die Arbeiter standen vor dem nichts.
Dass alle Probleme mit dem geplanten Gesetz gelöst werden können, glaubt man beim DGB nicht. Trotzdem sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach: "Es ist wichtig, dass ein Anfang gemacht wird."
Auch BDA-Chef Kramer kündigt an, die Arbeitgeber wollten sich der Mitarbeit nicht verschließen. Schließlich wolle man sicherstellen, dass normale Werkverträge nicht gefährdet sind. "Ich gehe davon aus", sagt der Arbeitgeberpräsident, "das Gesetz wird kommen."