Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Belgien haben zukünftig das Recht, nur noch vier Tage pro Woche zu arbeiten, ohne Lohneinbußen hinnehmen zu müssen. Das ist das Ergebnis einer Arbeitsmarktreform in Reaktion auf die Corona-Pandemie. Wie Belgiens Premierminister Alexander de Croo mitteilte, sei das Ziel der Reform, eine dynamischere und produktivere Wirtschaft zu schaffen.
"Wenn man unser Land mit anderen vergleicht, stellt man fest, dass wir weit weniger dynamisch sind", sagte de Croo. "Nach zwei schwierigen Jahren hat sich der Arbeitsmarkt weiterentwickelt. Mit dieser Vereinbarung setzen wir die Maßstäbe für eine gute Wirtschaft".
Belgien führt Recht auf Vier-Tage-Woche ein – Arbeitszeit bleibt gleich
Kern der Reform ist die Möglichkeit, die Arbeitszeit eigenverantwortlich verteilen zu können. De Croo betonte allerdings, dass dies nicht bedeute, dass die Gesamtarbeitszeit sinke. Wer es zukünftig also schafft, die im Arbeitsvertrag festgehaltenen Wochenstunden an vier Tage zu erbringen, kann einen zusätzlichen freien Tag nehmen.
Unternehmen haben zwar auch in Zukunft das Recht ihren Arbeitnehmern dies zu verwehren, müssen dies aber schriftlich begründen. Die Möglichkeit für Arbeitnehmer, länger zu arbeiten, um ein dreitägiges Wochenende zu verdienen, war Teil eines Pakets von Wirtschaftsreformen, auf das sich die Regierungskoalition am Dienstag einigte.
Vier-Tage-Woche auch in anderen Europäischen Ländern ein Thema
Belgien ist nicht das erste Land in Europa, dass Arbeitnehmern die Möglichkeit auf flexiblere Arbeitszeiten gewährt. Zwischen 2015 und 2019 testete Island eine ähnliche Regelung. Mittlerweile entscheiden sich knapp 85 Prozent der Beschäftigten für die Option auf ein dreitägiges Wochenende.
Auch in Schottland läuft seit vergangenem Monat ein solcher Versuch, für den die schottische Regierung einen Fonds von 10 Millionen Pfund für die teilnehmenden Unternehmen zur Verfügung gestellt hat.
In Wales forderte die Beauftragte für zukünftige Generationen, Sophie Howe, die Regierung auf, eine Option für die Vier-Tage-Woche im öffentlichen Dienst einzuführen.
In Belgien ist allerdings nicht nur der gute Willen der Regierung ausschlaggebend für die Reform. Das Land hat seit Jahren mit einer hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Nur 71,4 Prozent der Menschen zwischen 20 und 64 Jahren haben einen Job – knapp zehn Prozentpunkte weniger als in Deutschland oder Frankreich. De Croo sagte, die Regierung müsse mehr Menschen zur Aufnahme einer Beschäftigung ermutigen.
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Unter anderem mit der Einführung der flexibleren Arbeitszeit will die Regierung bis 2030 auf die Arbeitslosigkeit auf unter 20 Prozent drücken.
"Mehr Freiheit für Arbeitnehmer", so De Croo, sei der Schlüssel zur Erhöhung der Beschäftigungsquote. Die Reformen zielen jedoch auch auf starre Vorschriften ab, die von Wirtschaftsverbänden seit langem abgelehnt werden.
Von Unternehmen mit 20 oder mehr Beschäftigten wird erwartet, dass sie ihren Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, nach der Arbeitszeit "abzuschalten". Dies bedeutet, dass sie zwischen 23 Uhr und 5 Uhr morgens keine Anrufe entgegennehmen oder E-Mails beantworten müssen.
Die Mitarbeiter sollen zudem die Möglichkeit haben, eine Änderung ihrer Arbeitszeiten von Woche zu Woche zu beantragen und können eine begründete Antwort des Arbeitgebers erwarten, ob ihre die jeweiligen Stunden genehmigt werden, oder nicht. Mitarbeiter mit variablen Arbeitszeiten müssen demnach ihre Arbeitszeiten sieben Tage im Voraus kennen.
Das neue Arbeitsrecht sieht jedoch vor, dass der Nachtzuschlag erst nach Mitternacht in Kraft tritt und nicht wie bisher ab 20 Uhr.