Landwirtschaft Notstand in Frankreichs Weinbergen

Die fetten Jahre der erfolgsverwöhnten französischen Winzern sind vorbei. Jetzt will die französiche Regierung retten, was zu retten ist: Bordelais und Burgund sollen jetzt auch den einfachen "Landwein" auf den Markt bringen dürfen.

Die Weinlese beginnt erst in ein paar Wochen, bei den erfolgsverwöhnten französischen Winzern laufen die Fässer aber bereits jetzt über - vor Frust, Zorn und Bitterkeit. Die fetten Jahre sind für die meisten von ihnen endgültig vorbei. Eine sich nur noch weiter beschleunigende Talfahrt beim Weinexport und die Abkehr der eigenen Landsleute von ihrem bisherigen Lieblingsgetränk führen in einer Abwärtsspirale tief in den Keller. Mit einer kleinen Revolution im Weinberg will die Pariser Regierung retten, was zu retten ist. So sollen die beiden Aushänge-Weinregionen Bordelais und Burgund künftig auch den beliebten einfachen "Landwein" auf den Markt bringen. Aber das ist etwas, worüber viele Winzer auch weiterhin die Nase rümpfen.

Neue Weinländer haben Frankreich überrundet

Während man in der Spitzenregion rund um Bordeaux die Ärmel für eine Rekordernte (800.000 Hektoliter mehr als 2003) hochkrempelt und über diese überbordende Menge alles andere als glücklich ist, stehen die Zeichen nicht nur dort auf Sturm. Die Zahlen sprechen deutlicher denn je für sich: Im vergangenen Jahr sind die französischen Exporte - 148 Millionen Kisten zu je 12 Flaschen - erstmals von denen der so genannten neuen Weinländer (161 Millionen Kisten) überrundet worden.

Länder wie Chile, Australien, Neuseeland und Südafrika haben also vereint den Franzosen endgültig den Rang abgelaufen. Und 2004 begann auch nicht besser, die Exporte gingen erneut um neun Prozent zurück.

Kampagne gegen Alkohol am Steuer

Die Unruhe in der Branche ist nicht neu, schwillt aber jetzt dramatisch an. Die Exporte machen gut die Hälfte des Jahresumsatzes von elf Milliarden Euro aus. In dem klassischen Weinland Frankreich selbst geht es also um mehr als fünf Milliarden Euro. Der Absatz ist in Frankreich seit 1980 um ein Drittel zurückgegangen. Einerseits trinken die Jungen kaum noch "Papas Bordeaux". Die Gesundheitswelle und in der jüngsten Zeit vor allem auch die Pariser Verkehrskampagne gegen Alkohol am Steuer haben teilweise verheerende Folgen, was den Weinkonsum anbelangt. Zahllose Winzer fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen. Sie helfe nicht, sondern sei sogar gegen den Wein.

Landwirtschaftsminister Hervé Gaymard hat nun Notstandsmaßnahmen vorgeschlagen, damit der französische Wein auf dem Weltmarkt Boden zurückgewinnt. Die jährlichen Exporthilfen sollen um 50 Prozent auf 20 Millionen Euro erhöht werden. Um besser den Geschmack der "neuen Weintrinker" zu treffen und auf die teuren Eichenfässer verzichten zu können, dürfen "copeaux de bois" (Holzspäne) in Metalltanks für den besonderen "goût" sorgen. Damit dies erlaubt wird, muss sich der Minister jedoch erst noch mit Brüssel anlegen, worin er allerdings einige Übung hat. Aber auch in Frankreich selbst ist beileibe nicht jeder Winzer und Weinliebhaber für den "neumodischen Kram" zu haben.

Jetzt "Revolution des Landweins"

Dazu kommt das, was mancher voller Hoffnung die "Revolution des Landweins" nennt. Die strengen Qualitäts- und Herkunftskriterien der AOC-Weine (appellation d’origine controlée) hatten Frankreichs Wein zum Weltmarktführer gemacht. Inzwischen sind sie eher hinderlich. Der Weinkäufer von heute kann mit diesem "Château" oder jener "Domaine" zu wenig anfangen. Er will eher wissen, mit welcher Rebsorte er es zu tun hat. Im Burgund und Bordelais "vin de pays" (Landwein) möglich zu machen, bedeutet etwa, dass auf dem Bordeaux-Etikett "Merlot" stehen darf und auf dem Burgunder "Chardonnay". Wegen der Krise ziehen die Winzer im Beaujolais bereits diese Notbremse: Die Qualitätskriterien werden angezogen, alles andere wird erstmals zum Land- und Tafelwein.

Des Ministers Vorschläge haben gemischten Widerhall gefunden und die Existenzängste wegen der Überproduktion nicht abgebaut. Stolz hat das Burgund gegen den "Landwein" Front gemacht: "Wir bleiben bei 100 Prozent AOC-Qualitätswein und wollen dringend mit Paris reden", hieß es in einem Kommuniqué. Etliche halten die Vorschläge des Ministers für unausgegoren und unfertig. Schon absehbar ist, dass der September neben der Weinlese mehrere turbulente Krisentreffen in Paris bringt.

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Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

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