DATENSCHUTZ Pikantes Daten-Spiel

Große Aufregung in der Spielbank-Szene: Das »Grand Casino« in Baden bei Zürich verfügt über genaue Daten von deutschen Groß-Spielern. Wie sind die Informationen in die Schweiz gelangt?

In der Schweiz, wo bisher nur Automatenspiele genehmigt waren, läuft seit wenigen Wochen das Grand Jeu - und schon gibt es in der Spielbank-Szene große Aufregung: Das »Grand Casino« in Baden bei Zürich hat im Vorfeld seiner Eröffnung gezielt deutsche Spieler beworben, die nach Kenntnis von Casino-Insidern regelmäßig hohe Summen verzocken. Pikant: Dabei verfügten die eidgenössischen Casino-Macher über erstaunlich genaue Daten von den Groß-Spielern, so genannten »High Rollers«, aus dem Nachbarland.

In einem Fall führte die intensive Bewerbung zu einer brisanten Peinlichkeit: Das von dem Deutschen Detlef Brose, 38, geleitete Casino lud einen einschlägig vorbestraften Spielsüchtigen aus Baden-Baden als VIP-Gast zur Eröffnungs-Gala am 5. Juli ein. Der ehemalige Bankdirektor Roland S. hatte Anfang der 90er Jahre Kundengelder in Höhe von mehr als sieben Millionen Mark unterschlagen und im Casino verzockt. Das Landgericht Baden-Baden verurteilte ihn 1994 zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Aus dem Urteil geht hervor, dass S. allein zwischen dem 15. Oktober 1992 und dem 18. Januar 1993 die Spielbank 71 Mal besucht und bei jedem Besuch im Schnitt etwa 103.000 Mark verloren hatte. S., in Zockerkreisen als »der Plattenleger« bekannt, weil er beim Roulette nur mit 5.000-Mark-Jetons spielte, erhielt Mitte Juni vom Casino Baden eine opulente VIP-Einladung: freie Verköstigung (»hochklassige Gastronomie«) bei der glanzvollen Eröffnungs-Gala, Übernahme der Hotelkosten, natürlich mit Begleitung. »Wenn wir Ihre Spielleidenschaft wecken konnten und Ihnen zwei erlebnisreiche Tage im Zürcher Raum Freude bereiten, freuen wir uns, Sie als Gäste begrüßen zu dürfen«, heißt es in dem von Casino-Geschäftsführer Brose mitunterzeichneten Einladungsschreiben. S. ist in allen deutschen Spielbanken bis 2006 gesperrt.

Als der Baden-Badener Andreas Frank, Mitglied des Deutschen Fachverbands Glücksspielsucht, von dieser Einladung erfuhr, informierte er sofort die Eidgenössische Spielbankenkommission, die sich wiederum an die Casino-Leitung von Baden wandte. Erst danach wurde S. kurzfristig ausgeladen. Nach dem Sozialkonzept müssen Schweizer Casinos unter anderem »präventiv gegen Spielsucht wirken«. Casino-Geschäftsführer Brose, zuletzt Direktor der Westberliner Spielbank und zuvor bei »West Spiel« im Marketing tätig, nahm auf Anfrage von stern.de keine Stellung zu dem Vorgang, verwies auf Verwaltungsratspräsident Peter Probst. Der gab an, man beschäftige zahlreiche Croupiers aus Deutschland, aber auch aus Luxemburg. Und ein Croupier aus Luxemburg habe S. als Gast vorgeschlagen - dort sei er nicht gesperrt. »Wenn wir gewusst hätten, dass dieser Mann gesperrt ist, hätten wir ihn nie eingeladen.«

Genaueste Daten von über hundert Spielern

Die gezielte Bewerbung und Einladung deutscher Groß-Spieler geht noch einen Schritt weiter: Nach Recherchen des Schweizer Nachrichtenmagazins »FACTS« und stern.de verfügt das Grand Casino Baden über genaueste Daten von mehr als hundert Spielern, die nach Erkenntnissen eines ehemaligen »West Spiel«-Managers vornehmlich Stammgäste von »West Spiel«-Casinos seien und regelmäßig hohe Summen verzockten. Darunter nicht nur Namen, Beruf, genaue Anschriften, Telefon- und sogar auch Handynummern. Auf der Einladungsliste wird auch die Rubrik »Bewertung Spielverhalten« geführt, wie Verwaltungsratschef Probst gegenüber stern.de bestätigte - mit einer Skala von 1 bis 4. Zudem wird erfasst, wer Baccara spielt.

1998 wurde bei »West Spiel« in Nordrhein-Westfalen ein so genanntes Tracking-System erarbeitet, in dem Casino-Besucher - unbemerkt - unter anderem nach der Höhe ihrer Einsätze bewertet werden. Auch da gibt es eine Skala von 1 bis 4. Die Ziffer 1, so der ehemalige »West Spiel«-Manager gegenüber stern.de, stehe für »vorzüglich«, also für einen Spieler, der an einem Abend 50.000 Mark und mehr verzocke, die Ziffer 4 für einen Spieler, der nur einen »guten« Umsatz bringe. An der Entwicklung dieses Bewertungssystems hat der heutige Badener Casino-Chef Brose maßgeblich mitgearbeitet, wie ein Sprecher von »West Spiel« gegenüber stern.de bestätigte. Es sei aber nie angewandt worden. Der ehemalige »West Spiel«-Manager geht derweil davon aus, dass es sich im Falle des Casinos Baden just um dieses Tracking-System handelt. Verwaltungsratspräsident Probst dementiert das. Diese Rubrik sei »übernommen« worden, »die Bewertung erfolgte bei uns aber anders«. Wie, das mag Probst nicht sagen. Er räumt freilich ein: »Diese Rubrik ist komisch.«

»West Spiel« sieht dringenden Klärungsbedarf

Von Brose stammten die Daten der deutschen Spieler nicht, die im Übrigen auch nicht sensibel seien, sagt Probst, der bedauert, dass die Einladungsliste irrtümlich an »FACTS« gegangen sei. »Diese Daten stammen ausschließlich aus persönlichen Kontakten von Croupiers.« Man habe lediglich »gute Gäste« einladen wollen. Natürlich sei eine Spielbank an hoch spielenden Gästen interessiert. »Aber wir wollen nicht aggressiv werben«, versichert Probst. Und er meint: »Wir können deutschen Casinos keine Spieler wegnehmen.«

»West Spiel« sieht hingegen dringenden Klärungsbedarf: Man habe das Casino Baden schriftlich aufgefordert zu klären, wie es an Daten von »West Spiel«-Gästen gekommen sei, so Sprecher Frank Mühr gegenüber stern.de.

Rainer Nübel