Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Deutschland für den Umgang mit der Wirtschaftskrise gelobt. Viel dazu beigetragen habe die deutsche "Kultur" im Verhältnis von Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría am Freitag in Berlin. Er lobte die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse und forderte, das Staatsdefizit nun möglichst schnell abzubauen.
Deutschland werde stärker aus der Krise kommen, als es in sie hineingegangen ist, sagte Gurría bei der Vorstellung des Deutschland-Berichts 2010 der OECD. In diesem Jahr werde die Wirtschaft nach Einschätzung der OECD um 1,3 Prozent wachsen, im kommenden Jahr um 1,9 Prozent. Das vor der Krise erreichte Produktionsniveau werde die Bundesrepublik allerdings nach "dem steilsten Abschwung der Nachkriegsgeschichte" wohl erst wieder 2013 erreichen. "Das Schlimmste der Krise liegt hinter uns", sagte der OECD-Generalsekretär. "Es ist aber sicherlich noch nicht Zeit für Selbstzufriedenheit."
Gurría lobte die Zusammenarbeit von Staat, Unternehmen und Gewerkschaften in Deutschland, "die gerade in der Krise für alle sehr gut funktioniert hat". Er verwies unter anderem auf die Kurzarbeit, die "Anerkennung" verdiene. Er betonte, "Deutschland ist ein Schwergewicht in der Europäischen Union und daher auf viele Arten ein Indikator für die wirtschaftliche Erholung in Europa". Ohne eine Erholung der "Lokomotive" Deutschland "wird die Wirtschaft in Europa schwach bleiben." Deshalb sei es nun wichtig, die richtige Strategie zum Ausstieg aus der Krisenbekämpfung zu finden.
Der OECD-Generalsekretär lobte Deutschland auch für die "gute Arbeit, eine Strategie für den Abbau der Schulden zu kommunizieren". Die Aufnahme der Schuldenbremse ins Grundgesetz noch durch die große Koalition sei "eine starke Aussage. Und das sollte anerkannt werden", sagte Gurría. Notwendig sei nun "eine Kombination aus Ausgabekürzungen und Einnahmen erhöhenden Maßnahmen". Die OECD forderte "in Bälde einen präzisen Plan" mit Vorgaben zum Defizitabbau.
Beim Schuldenabbau hätten Ausgabenkürzungen den Vorrang, da sie weniger schädlich für das Wirtschaftswachstum seien als Steuererhöhungen, erklärte die OECD. Für Steuererleichterungen sieht Gurría im Zuge des Schuldenabbaus hingegen wenig Möglichkeiten. Zwar seien Steuersenkungen generell "vielleicht eine gute Idee", doch gelte dies nur für Zeiten mit einem stärkeren Wachstum.
Gurría nahm Deutschland zudem vor Kritik an seiner starken Exportwirtschaft in Schutz. Der hohe Überschuss in der deutschen Handelsbilanz - also die Tatsache, dass Deutschland deutlich mehr Waren exportiert als importiert - sei zwar ein Streitpunkt. "Wir glauben aber, die wirklichen Herausforderungen liegen woanders", sagte der OECD-Generalsekretär.
Zugleich forderte Gurría Deutschland auf, seine starke Position nachhaltig zu sichern. Dafür sei "mehr Innovation, weniger Preiswettbewerb" notwendig. Zudem müsse sich Deutschland mehr als Wissensgesellschaft präsentieren und die Stärke der Industrie etwa auf den Dienstleistungsbereich ausdehnen. Dafür sei es auch wichtig, in den Binnenkonsum zu investieren und die Forschung und Entwicklung zu stärken.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erklärte, die OECD habe Deutschland "ein gutes Zeugnis" ausgestellt. Nun dürfe sich die Bundesrepublik aber nicht "auf diesen Erfolgen ausruhen".