Die Sorgen der Oberschicht Arme Reiche

  • von Sönke Wiese
Reich und sorgenfrei: Laut DIW ein "seltenes Phänomen" in Deutschland
Reich und sorgenfrei: Laut DIW ein "seltenes Phänomen" in Deutschland
© Colourbox
Deutschlands Reiche werden immer reicher - und dabei immer unglücklicher. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in der Oberschicht die Angst vor sozialem Abstieg zunimmt. Nur reichen Beamten geht es prima.

Eine Studie des Berliner Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die heute auf der Internetseite des Instituts veröffentlicht worden ist, verleiht dem Begriff Luxusprobleme eine völlig neue Bedeutung. Denn die Volkswirte der renommierten Einrichtung, die über Wohl und Wehe der wirtschaftlichen Entwicklung hierzulande forscht, haben sich der Reichen angenommen - und der bangen Frage nach dem Gemütszustand der oberen Zehntausend.

Denn, so viel ist klar, reich ist nicht gleich reich. Reich kann auch glücklich und reich oder besorgt und reich bedeuten. Da gilt es, sorgsam zu unterscheiden. Entsprechend haben sich die findigen DIW-Forscher den Begriff der "Schickedanz-Reichen" einfallen lassen. Gemeint sind jene Reichen, die "kontinuierlich materielle Sorgen äußern." Die Namensgebung geht auf die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz zurück, die jüngst öffentlichkeitswirksam den Verfall ihres Vermögens beklagte. Lediglich 27 Millionen Euro sei ihr Aktienpaket noch wert. Sie müsse jetzt schon beim Discounter einkaufen gehen, beschrieb sie ihre niederschmetternde Situation.

Immer mehr "Schickedanz-Reiche"

Trost für Schickedanz bringt jetzt die DIW-Studie mit sich: You are not alone, es gibt immer mehr Reiche, die die Angst vor sozialem Abstieg plagt. In der Oberschicht gehört es demnach mittlerweile zum guten Stil, über die finanziellen Verhältnisse zu jammern. Allen billigen Neidern sei gesagt: Golfclub, Gärtner und Kaviar werden auch immer teurer.

Zwei zentrale Erkenntnisse ergeben sich überdies aus der DIW-Studie. Erstens: In Deutschland gibt es immer mehr reiche Menschen. Nach der gängigen Definition gilt derjenige als reich, dessen monatliche Einkünfte netto mehr als 2800 Euro betragen. 1999 waren es fünf Prozent, 2006 schon mehr als sieben Prozent der Bevölkerung. Das mittlere Einkommen in der Gruppe der dauerhaft glücklich Reichen betrug 400.000 Euro im Jahr 2002.

Zweitens: Gleichzeitig nehmen unter diesen Privilegierten die - subjektiv empfundenen - finanziellen Sorgen zu. Je mehr Vermögen die Wirtschaftselite anhäuft, desto schlechter geht es ihr. Arme Reiche. Die Studie kommt zu dem Schluss, "dass sorgenfreier Reichtum ein sehr seltenes und konjunkturunabhängiges Phänomen ist."

"Kein sozialpolitischer Handlungsbedarf"

Was tun? Muss es ein Programm geben, um die armen Reichen zu retten? Eine sozialpolitische Initiative, vielleicht der FDP, wenige Wochen vor der Bundestagswahl? Die Autoren der Studie geben sich zurückhaltend. Die prekäre mentale Lage der Reichen erzeuge "sicherlich keinen sozialpolitischen Handlungsbedarf", befinden sie. Mit Schickedanz-Reichen auf den Barrikaden Berlins ist also nicht zu rechnen. Vorerst.

Und, das ist eine weitere frohe Botschaft für die Begüterten dieser Republik: In allen Lebenslagen gibt es einen Heilsbringer: den Staat. Denn, so haben die Forscher herausgefunden, die kleine Gruppe der sorgenfreien Reichen besteht fast ausschließlich aus Angestellten im öffentlichen Dienst (51 Prozent) und Beamten (44 Prozent). Na bravo.

Und wenn selbst der Staatsdienst nicht hilft, können Reiche mittlerweile ja noch auf ein kleines, mentales Konjunkturprogramm der Regierung hoffen: auf eine Geburtstagseinladung ins Kanzleramt. Das steht aber nicht in der Studie.