Anzeige
Anzeige

EU-Kommission Brüssel rudert bei Ratingagenturen zurück

Die drei großen Rating-Riesen sind der EU-Kommission seit Jahren ein Dorn im Auge. Jetzt soll ihre Macht eingedämmt werden – zumindest ein bisschen. Die angepeilte zeitweilige Aussetzung der Benotung für Euro-Wackelkandidaten ist jedoch vom Tisch.

Die EU-Kommission hat ihre Gesetzesvorschläge zur Regulierung der umstrittenen Ratingagenturen in letzter Minute entschärft. Binnenmarktkommissar Michel Barnier sagte am Dienstag in Straßburg, der Entwurf umfasse nicht mehr die zeitweise Aussetzung der Benotung von kriselnden Eurostaaten.

"Wir brauchen mehr Zeit", sagte der Franzose. Es habe in der Kommission eine längere Debatte darüber gegeben. "Es war vielleicht ein bisschen zu innovativ", räumte er ein. Immerhin: "Der wichtigste Teil meiner Vorschläge wurde angenommen." EU-Staaten und Europaparlament müssen den Vorschlägen noch zustimmen - das dürfte nicht vor Ende kommenden Jahres der Fall sein.

Einführung einer Rotationsregel geplant

Um die Unabhängigkeit der Agenturen zu stärken und den rund zehn kleineren Konkurrenten der großen Drei mehr Chancen zu geben, will die EU eine Rotationsregel einführen. Eine Agentur darf in der Regel nur zehn aufeinander folgende Produkte eines Emittenten bewerten oder die Anleihen eines Kunden maximal drei Jahre benoten. Die Kommission rüttelte jedoch nicht am umstrittenen Prinzip, dass der Emittent und nicht der Investor für die Benotung bezahlt. Um Gefälligkeitsurteile zu verhindern, gibt es jedoch Vorgaben zur Gebührengestaltung.

"Wir sind nicht hier, um den Überbringer der Botschaft zu erschießen", sagte Barnier. Doch die Agenturen dürften die Probleme eines Emittenten nicht noch verschlimmern. Die Kreditwächter müssen sich schon seit 2010 registrieren und überwachen lassen. Doch vor dem Hintergrund der Schuldenkrise hat die EU vor allem vier Mängel ausgemacht: Die Bewertung der Bonität staatlicher Emittenten ist wenig durchschaubar; die Anleger verlassen sich wegen vieler gesetzlicher Regeln zu stark auf die Noten der Agenturen; diese sind nicht unabhängig genug von den Emittenten, die sie bezahlen; der Markt wird von den drei großen, in den USA ansässigen Anbietern dominiert.

Rating-Riesen im Visier

Mit den schärferen Vorschriften soll vor allem der Einfluss der drei großen Rating-Riesen Moody's, Standard & Poor's und Fitch begrenzt werden. Die Agenturen hätten schwere Fehler gemacht und Herabstufungen auf Staatsanleihen zur Unzeit veröffentlicht, kritisierte Barnier.

Zum Ärger der Politiker hatten die Agenturen etwa die Bonitätsnoten von Spanien, Portugal oder Griechenland herabgesetzt, kurz nachdem diese umfassende Sparprogramme im Kampf gegen die hohe Staatsverschuldung angekündigt hatten. Die Vorwarnzeit über Notenänderungen an die Emittenten soll künftig auf einen Arbeitstag verlängert werden. Die Bewertung von Staaten muss außerdem ausführlicher begründet werden.

Europäische Ratingagentur ist aus dem Rennen

Auch eine Ahndung von Fehlern, wie sie kürzlich Standard & Poor's mit einer fälschlich versandten, noch gar nicht entschiedenen Herabstufung Frankreichsvon seiner Bestnote unterlief, könnte Barnier zufolge im Lauf der Beratungen noch in das Gesetz eingebaut werden. In die ferne Zukunft verschob die Kommission den Versuch, eine europäische Ratingagentur per Gesetz zu schaffen. Zu teuer und womöglich nicht glaubwürdig genug wäre eine staatlich finanzierte Institution, so die Begründung.

Standard & Poor's kritisierte, durch die europäischen Vorschriften gäbe es keinen global einheitlichen Maßstab mehr zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit. "Dies führt dazu, dass für Investoren weniger Ratings zur Verfügung stehen, dass die Qualität der Ratings nachlässt, und dass die Unabhängigkeit der Ratings leidet", erklärte eine Sprecherin.

kng/Reuters/DPA DPA Reuters

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel