EU-Rezession Deutschland wird wieder Defizitsünder

Laut EU-Frühjahrsgutachten wird Deutschland schon in diesem Jahr mit seinem Haushaltsdefizit die 3-Prozent-Hürde deutlich reißen und deshalb mit dem EU-Stabilitätspakt in Konflikt geraten. Finanzminister Steinbrück hat nichts gegen ein Defizitverfahren.

Die Milliarden-Kosten der Wirtschaftskrise bringen Deutschland mit dem EU-Stabilitätspakt in Konflikt. Mit einem Haushaltsdefizit von voraussichtlich 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werde die Bundesrepublik in diesem Jahr weit über 3-Prozent-Grenze des Pakts hinausschießen, prognostizierte die EU-Kommission am Montag. 2010 werde das Defizit voraussichtlich auf 5,9 Prozent steigen. Wegen der Wirtschaftskrise werden in diesem Jahr mindestens 20 EU-Staaten gegen den Stabilitätspakt verstoßen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sprach sich dennoch für die Einleitung von Defizitverfahren aus, gegebenenfalls auch gegen die Bundesrepublik. "Es gibt einen breiten Konsens, die Kommission zu unterstützen, weitere Defizitverfahren einzuleiten, im Zweifelsfall im nächsten Jahr möglicherweise auch gegen Deutschland", sagte Steinbrück. Defizitverfahren werden in der Regel erst eröffnet, wenn die endgültigen Zahlen über die Neuverschuldung vorliegen. Währungskommissar Joaquín Almunia erklärte am Montag, die Kommission werde sich "zuerst um die Länder kümmern, die schon 2008 ein Defizit von mehr als drei Prozent hatten". Dies gilt für Deutschland nicht.

Berlin war bereits EU-Defizitsünder gewesen und vor zwei Jahren wegen guter Führung aus dem Strafverfahren entlassen worden. Nur drei Länder des Eurogebiets - Finnland, Luxemburg und Zypern - halten nach Brüsseler Einschätzung im laufenden Jahr die Maastrichter Defizitmarke von 3 Prozent ein.

Merkel fordert "nationale Kraftanstrengung"

Unterdessen forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine "nationale Kraftanstrengung", um aus der Wirtschaftskrise herauszukommen. "Der Staat allein kann es nicht schaffen. Alle sind gefragt, jeder an seinem Platz", sagte die CDU-Vorsitzende am Montag in Berlin bei einer Feierstunde ihrer Partei zu "60 Jahre Bundesrepublik und 20 Jahre Mauerfall". Zugleich lobte sie die Soziale Marktwirtschaft als deutsches Erfolgsmodell. Wenn sich auf den internationalen Finanzmärkten alle daran gehalten hätten, wäre die jetzige Krise "gar nicht erst entstanden".

Bundesbank-Präsident Axel Weber sieht nach wie vor nur einen verschwindend kleinen Hoffnungsschimmer für die krisengeschüttelte deutsche Wirtschaft. Trotz der zunehmenden Erholung an den Geld- und Aktienmärkten sei es noch keineswegs ausgemachte Sache, dass die Weltwirtschaft das Gröbste hinter sich habe, sagte Weber am Montag beim deutschen Steuerberaterkongress in Hamburg.

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AP/Reuters/DPA