Geheimdienste Firmen sollen Know-how vor Spionage schützen

Nicht mehr militärische Ziele, sondern die Wirtschaft steht heute im Vordergrund der Spionageabwehr. Deshalb der Rat des Verfassungsschutz: Firmen sollten sensible Daten und Know-how besonders gut schützen.

Der baden-württembergische Verfassungsschutz-Präsident Helmut Rannacher hat die Wirtschaft aufgerufen, sensible Daten und Know-how besonders gut vor Spionage zu schützen. Die Wirtschaft stehe heute im Vordergrund der Spionageabwehr. "Militärisch und politisch motivierte Spionage im herkömmlichen Sinne ist in den Hintergrund getreten", so Rannacher. Vor allem für mittlere und kleine Unternehmen könnte der Ideenklau existenzbedrohend sein, wenn ein Produkt dann woanders billiger auf den Markt gebracht wird.

Auch der 'Freund' hört mit

Gefährdet sind die Firmen durch Nachrichtendienste, vor allem aus Russland, China und "Krisenländern" wie Iran, Syrien, Libyen und Nordkorea. Hinzu kommen Ausspähung durch die Konkurrenz und Bedrohung durch das organisierte Verbrechen. Rannacher wies aber auch auf das US-Fernmelde-Aufklärungssystem ECHELON hin, bei dem die Nutzung zur Wirtschafsspionage zumindest nicht ausgeschlossen werden könne.

Fälle werden oft totgeschwiegen

Verlässliche Zahlen zum Schaden durch Wirtschaftsspionage gibt es nicht. Schätzungen bewegten sich zwischen jährlich 8 und 70 Milliarden Euro in Deutschland. Auch fehlen zumeist konkrete Hinweise zu Spionagefällen, weil sie nicht bemerkt oder der Fall aus Angst vor Imageverlust nicht gemeldet würden. "Wir appellieren an die Firmen, den Verfassungsschutzbehörden entsprechende Vorkommnisse zur Kenntnis zu bringen", betonte der Behördenchef. Die Verfassungsschützer könnten den Fall nicht-öffentlich recherchieren, ohne wie die Polizei strafrechtlich ermitteln zu müssen.

Neue Techniken bieten viele Möglichkeiten

Durch die Globalisierung und die Fortschritte der Informationstechnik gibt es nach Rannachers Worten heute zahlreiche Möglichkeiten, auch ohne betriebsinterne Täter an sensible Informationen zu gelangen. "Firmen übertreiben es gelegentlich mit ihrer Darstellung im Internet und übersehen dabei, dass wichtiges Firmen-Know-how abfließen kann."

Gesundes Misstrauen wäre angebracht

Offen zugänglich sind jetzt auch sensible Firmendaten, die früher noch mühsam beschafft werden mussten. Auch bei intensiven Gesprächen mit Kunden auf Messen oder bei Einstellung von ausländischen Praktikanten und Personal müssten sich Firmen über ein gewisses Risiko im Klaren sein. "Seit der Wende ist ein Großteil des Sicherheitsbewusstseins abhanden gekommen, weil man nach dem Fall der Mauer die Illusion pflegte, man sei nur noch von Freunden umgeben."

Beliebtes Ziel: High-Tech-Firmen

Im Visier der Geheimdienste stehen nach Rannachers Erfahrung vor allem High-Tech-Unternehmen wie Hersteller von Mikroelektronik und Sicherheitstechnik, Maschinen- und Werkzeugbauer, die chemische und pharmazeutische Industrie sowie die Nuklearforschung.