Ist wirklich alles teurer? So lange muss man für ein Steak oder eine Tankfüllung arbeiten – heute und früher

Viele Supermarkt-Produkte sind zuletzt deutlich teurer geworden - aber immer noch erschwinglicher als früher
Viele Supermarkt-Produkte sind zuletzt deutlich teurer geworden - aber immer noch erschwinglicher als früher
© vgajic / Getty Images
Wie stark schmälert die Inflation die Kaufkraft? Ökonomen haben für 31 Produkte ausgerechnet, wie viele Minuten mehr wir arbeiten müssen, um uns ein Brot, ein Steak oder eine Waschmaschine leisten zu können. Im Vergleich zu früher ist vieles sogar erschwinglicher.

Viele Dinge des Alltags sind in diesem Jahr deutlich teurer geworden. Die Inflationsrate kletterte im Oktober auf 10,4 Prozent, den höchsten Stand seit 1951. Die größten Sorgen bereiten die Energiepreise, aber auch die Preise vieler Lebensmittel sind empfindlich gestiegen. Was das für die Kaufkraft des Durchschnittsbürgers bedeutet, hat das Institut der deutschen Wirtschaft exemplarisch für 31 Produkte und Dienstleistungen aufgedröselt.

Die Ökonomen analysierten anhand von Preisen und Löhnen, wie viele Minuten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rein rechnerisch arbeiten müssen, um sich bestimmte Produkte leisten zu können. Um den Verlust der Kaufkraft anschaulich zu machen, verglichen die Wissenschaftler die Zahlen aus dem Oktober 2022 mit denen von 2019 – und außerdem mit Werten aus den 70er Jahren zur Zeit der Ölpreiskrise. 

Tanken erschwinglicher als 1970

Das führt zu interessanten Ergebnissen. So müssen die Deutschen heute im Schnitt für eine Tankfüllung Benzin eine Stunde länger arbeiten als noch 2019. Die Preissteigerung in diesem Zeitraum ist also enorm. Andererseits liegen die errechneten fünfeinhalb Stunden immer noch unter den Werten der 70er Jahre. Unter Berücksichtigung der Lohnentwicklung ist Autofahren heute also nicht teurer als vor 50 Jahren.

Auch für viele Supermarktprodukte muss man heute länger arbeiten als vor drei Jahren, aber kürzer als noch in den 70ern. Das gilt zum Beispiel für Brot, Milch, Butter, Zucker oder Eier. Auch beim Steak ist die Frage, ob es wirklich so viel teurer geworden ist, eine Sache der Perspektive: Zwar muss man heute für ein Kilo Rindfleisch 36 Minuten arbeiten statt 30 Minuten 2019 – ein sattes Plus von 20 Prozent. Das ist aber trotzdem nur etwa halb so lange wie 1970, als das Steak noch ein richtiges Luxus-Produkt war.

Noch viel deutlicher ist der langfristige Preisverfall bei technischen Geräten. So musste man 1970 noch über 145 Stunden arbeiten, um sich eine Waschmaschine leisten zu können. Heute sind es nur noch 19 Stunden. Selbst gegenüber 2019 sind die Geräte erschwinglicher geworden, von großer Teuerung ist hier keine Spur.  

Ziehen die Löhne jetzt nach?

Also alles gar nicht so schlimm mit der Inflation? Das stimmt nun auch wieder nicht. So berücksichtigt der Kaufkraftvergleich einige derzeit besonders schmerzliche Kostentreiber wie Heizen und Mieten oder Immobilienpreise nicht. Zudem handelt es sich bei den Zahlenspielen auch nur um Durchschnittswerte. Individuell sind die Einkommen – und damit die für den gleichen Ertrag zu arbeitenden Minuten – natürlich höchst unterschiedlich.

Der Vergleich zu den 70ern zeigt zudem, warum die aktuelle Preisentwicklung für viele so belastend ist. So gab es in den 70ern zwar ebenfalls hohe Inflationsraten in Folge steigender Energiepreise. Trotzdem stieg die Kaufkraft der Verbraucher bezogen auf viele Produkte zwischen 1970 und 1974 sogar – eine Folge kräftiger Lohnerhöhungen. So eine starke Gehaltsentwicklung gab es in den letzten Jahren nicht. Um den aktuellen Kaufkraftverlust auszugleichen, stellen nun aber auch wichtige Arbeitnehmervertretungen Forderungen nach kräftigen Gehaltserhöhungen auf. Auch der gesetzliche Mindestlohn wurde in diesem Jahr deutlich angehoben.

Die Ökonomen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft sehen nun die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, die die Inflation weiter antreiben könnte. Sie fordern, die Situation lieber mit zielgenauen staatlichen Hilfen wie Wohngeld und Heizkostenzuschuss zu bewältigen. Auch die Inflationsausgleichsprämie, die Arbeitgeber nun steuerfrei zahlen können, könne helfen, beim Wocheneinkauf einen Unterschied zu machen.

Tabelle: Von Mischbrot bis Kinobesuch – was wie erschwinglich ist

Ist wirklich alles teurer?: So lange muss man für ein Steak oder eine Tankfüllung arbeiten – heute und früher

Quelle: IW Köln