Interview "Unsere Kunden erwarten mehr von uns"

Bahnchef Hartmut Mehdorn kündigt eine "Qualitätsoffensive" an.

stern: Herr Mehdorn, bei einem Test von stern und VCD wurde jeder dritte Testkunde im Reisezentrum falsch beraten. Mal war das Ticket zu teuer, mal die Verbindung zu langsam, manchmal beides. Warum ist die Beratung so schlecht bei der Bahn?
Hartmut Mehdorn: Ganz klar, wenn 30 Prozent Ihrer Testkunden falsch beraten wurden, ist das nicht akzeptabel. Die Frage ist für mich immer auch, ob bei solchen Tests wirklich so gefragt wird, wie unsere Kunden in der Realität fragen. Wir wissen aber, dass wir uns in der Beratungsleistung ständig weiter verbessern müssen, was wir auch tun. Natürlich muss sich ein neues Preissystem einspielen. Wir hören dazu von unseren Verkäufern und den Reisebüros viel Gutes.

Ist das Preissystem zu kompliziert?


Das Preissystem ist verständlich und bietet viele Vorteile. Aber wir müssen es noch besser vermitteln, vor allem, dass es ein System für den Fern- und nicht für den Nahverkehr ist.

Der Test ergab auch, dass die Verfügbarkeit der Rabatt-Tickets sehr hoch ist - allerdings auch, weil laut Befragung die meisten Kunden die Rabatte nicht nutzen.
Erst einmal: Ich freue mich. Auch Sie haben in Ihrem Test nachgewiesen, dass die Verfügbarkeit der preiswerten Fahrkarten sehr hoch ist. Wegen angeblich nicht vorhandener Kontingente sind wir ja viel kritisiert worden. Dass noch viele Kunden zum Normalpreis reisen, liegt vor allem daran, dass viele noch eine alte Bahncard haben. Mit der bekommen Sie 50 Prozent Rabatt auf den Normalpreis des neuen Preissystems, der gegenüber früher im Durchschnitt abgesenkt wurde, Sie können aber nicht die Plan&Spar-Preise nutzen. Je mehr Kunden die neue Bahncard haben, desto mehr werden die günstigen Plan&Spar-Preise nachgefragt.

Dann wird's eng mit den Kontingenten.


Nein, auch dann können wir die meisten Wünsche nach Plan&Spar-Angeboten erfüllen. Bereits heute stellen wir dafür pro Tag rund 300.000 Plätze zur Verfügung.

Wann kommt das Preissystem, besonders die 45 Euro Strafgebühr bei Umbuchungen von Rabatt-Tickets, auf den Prüfstand?
Das ist eine Umtauschgebühr, die notwendig ist, damit die günstigen Tarife nicht auf Verdacht von großen Firmen und cleveren Geschäftemachern zulasten unserer Kunden aufgekauft werden. Wir wissen, dass die Gebühr hoch ist, können sie deshalb aber nicht senken. Was den Erfolg des Preissystems betrifft, so entscheidet darüber allein der Kunde. Voraussetzung dafür ist aber auch, dass unsere Leistung stimmt ...

... und dass die Bahn auch mal pünktlich kommt.


In den letzten Wochen war die Pünktlichkeit nicht so, wie wir uns das wünschen. In den letzten Tagen haben wir zwar die Qualität wieder erreicht, die wir vor dem Fahrplanwechsel hatten. Aber das reicht uns nicht. Unsere Kunden erwarten zu Recht mehr.

Wie wollen Sie besser werden?
Qualität steht bei uns ganz oben an. Wir starten jetzt eine Qualitätsoffensive, die den gesamten Prozess der Leistungserstellung detailliert durchleuchtet, Fehler sofort anzeigt und die Verantwortlichen benennt. Wir müssen konstant die Leistung bringen, die der Kunde für sein Geld von uns erwartet. Einzige Ausnahmen, die ich gelten lasse, sind extreme Außeneinflüsse, für die wir nichts können. Aber auch dann müssen wir die Information unserer Kunden deutlich verbessern. Wir werden noch in diesem Jahr ein aufwendiges elektronisches Reisenden-Informations-System starten, das die Information der Fahrgäste deutlich verbessern wird. Es wird in der ersten Stufe alle Fernverkehrs- und 60 Prozent der Nahverkehrszüge sowie rund 700 Bahnhöfe, das Internet, unsere Callcenter und alle Stellen erfassen, die Kundenkontakt haben. In einer weiteren Stufe werden wir Züge mit einem Satelliten-Verfolgungssystem ausstatten. Insgesamt werden wir dafür über 200 Millionen Euro investieren.

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Frank Thomsen