Deutschland droht die größte Pleitewelle der Nachkriegszeit. So wird laut Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) in diesem Jahr mit rund 37.000 Firmenzusammenbrüchen und einem dramatischen Anstieg der Verbraucherkonkurse gerechnet. Bedroht ist vor allem der Mittelstand, Motor und Herz der Wirtschaft. Als Gründe werden die miserable Wirtschaftslage und schlechte Zahlungsmoral gesehen. Gleichzeitig wandert die Überschuldung mehr und mehr in die Mitte der Gesellschaft, was vor allem an der hohen Arbeitslosigkeit liegt.
Spektakuläre Unternehmenskrisen
Obwohl die Signale allmählich wieder für einen Aufwind der Konjunkturlage sprechen, beherrschen spektakuläre Unternehmenskrisen das Bild in der deutschen Wirtschaft und die Schlagzeilen der Zeitungen. Angeführt wird die Insolvenzstatistik 2002 von renommierten deutschen Traditionsunternehmen wie Fairchild Dornier, Holzmann und Kirch.
Altbekannte Probleme
Flugzeugbau, Bauwirtschaft, Papier- und Bürowarenhersteller oder TV-Branche, die Bereiche sind unterschiedlich, die Probleme, die die Firmen zu bewältigen haben ebenso. Dennoch, eines ist ihnen gemeinsam: sie haben nicht erst in der letzten Zeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen und sie müssen häufig öffentlich oder privat gestützt werden.
Auch viele Kleinfirmen leiden
Es sind aber nicht nur große Konzerne betroffen: Allein im ersten Quartal 2002 hat sich die Zahl der reinen Unternehmensinsolvenzen binnen Jahresfrist um 15 Prozent erhöht. Ganz besonders wird von den Pleiten das Baugewerbe betroffen. Für das Gesamtjahr wird allein dort mit einer Zahl von mehr als 10.000 Firmen-Konkursen gerechnet. Insgesamt sind 550.000 bis 600.000 Arbeitsplätze in deutschen Unternehmen in Gefahr, darunter nur ein kleiner Teil durch spektakuläre Zusammenbrüche wie bei Herlitz und Kirch. Der entstehende volkswirtschaftliche Schaden wird auf 40 Milliarden Euro geschätzt.
Restriktive Kreditvergabe mit Schuld
Die steigende Anzahl von Firmeninsolvenzen kurz vor dem Aufschwung ist keine aktuelle Erscheinung. Dieses Phänomen war schon bei früheren Wirtschaftzyklen zu beobachten. Vielen Unternehmen gehen während der Durststrecke die Luft aus. Ohne die Unterstützung von Banken oder der Findung eines neuen Geschäftspartners, bleibt einigen Unternehmen nur noch der Gang zum Amtsgericht. Im Bau- und Handwerkergewerbe sind insbesondere verspätete Kundenzahlungen für den größten Teil der Pleiten verantwortlich. Neben der Konjunkturkrise ist laut BDIU aber auch die weiterhin restriktivere Kreditvergabe von Banken und Sparkassen ein bedeutender Faktor, der die Insolvenzen beeinflusst.
Der Fall Holzmann
Der Fall Holzmann ist ein Beispiel für die aktuelle Situation und das veränderte Verhalten der Kreditwirtschaft: Noch vor weniger als zwei Jahren erhielt der Baukonzern ein Rettungspaket von mehr als 2 Milliarden Euro. Anfang diesen Jahres konnten sich die Manager nicht einmal mehr auf 250 Millionen Euro einigen. Die einhellige Meinung lautet: Warum gutes Geld schlechtem hinterher werfen. Die Zeit, in denen Kredite an Großunternehmen leichtfertig vergeben wurden, ist endgültig vorbei.
Vorsicht kann auch nachteilig sein
Wie es aussieht, haben Deutschlands Banken dazu gelernt. Immer wieder wurden sie für eine zu sorglose Kreditvergabe - gerade an in Schwierigkeiten geratene Großunternehmen - getadelt. Die neu erworbene Zurückhaltung kann sich aber zukünftig auch als Bremse und Gefahr für Konzerne und Unternehmen erweisen. Denn eine zu vorsichtige Handhabung bei der Kreditvergabe könnte sich auch als Hemmnis für einen Wirtschaftsaufschwung erweisen und weitere, möglicherweise vermeidbare, Insolvenzen nach sich ziehen.
Reinigendes Gewitter
Firmenpleiten können sich allerdings auch als reinigende Gewitter erweisen. Die Dinge werden wieder auf das Wesentliche reduziert, so manch einer von seinen Höhenflügen auf den Boden der Tatsachen zurück geholt und Ausschuss vom Markt vertrieben.
Anke Mönning