"Was machen Sie denn beruflich", fragt der Automechaniker seinen Kunden Manfred Speck, als er den Kasten an dessen Wagen entdeckte. Vielleicht beim Geheimdienst? Oder gibt es da eine sehr eifersüchtige Ehefrau? Denn das kleine Gerät ist ein GPS-Tracker, das den Standort übermittelt.
Wie das "ZDF"-Magazin "Frontal 21" und das RedaktionsNetzwerk Deutschland berichtet, wurde Manfred Speck gezielt von einer Privatdetektei überwacht. Beauftragt wurde diese von seiner Krankenkasse, der Gothaer Krankenversicherung mit Hauptsitz in Köln. Hintergrund der Aktion: Offenbar wollte die Kasse Beweise sammeln, dass Speck trotz Krankschreibung gearbeitet habe. Der Fall landete vor Gericht, berichtet die "Hannoversche Allgemeine".
Krankenversicherung spioniert Kunden aus
Denn die Gothaer hatte Speck nach 25 Jahren, in denen er immer brav und pünktlich die Beiträge bezahlt hatte, die Krankenversicherung gekündigt. Speck selbst betreibt mit seiner Frau ein kleines Bistro. Die Krankenkasse meint, dass er während seiner Krankschreibung Kunden bedient und Kaffee eingeschenkt habe. Also habe man ihn rausgeschmissen. Denn die Kasse hätte dafür auch Beweise.
Manfred Speck erlitt im Jahr 2016 einen Schlaganfall. Dadurch hatte sich eine seiner Hirnschlagadern verengt - ein gefährlicher Zustand. Denn die Möglichkeit, dass er jeden Moment tot umfallen würde oder im Lock-in-Syndrom, also bei vollem Bewusstsein, aber bewegungsunfähig rumliegen würde, sei jederzeit gegeben. Die Diagnose machte ihn zusätzlich krank. Depressionen quälten ihn. Erst Ende 2016 traute er sich langsam wieder, zu arbeiten. Auch die Ärzte hielten das für eine gute Idee. Allerdings sollte Speck es langsam angehen lassen. Also rieten im die Ärzte, dass er sich von Zeit zu Zeit für zwei Wochen krank schreiben lasse solle. Auch die Krankenkasse schien diese Regelung zu akzeptieren. Einige Wochen später bekam er Besuch in seinem Bistro von einem Mitarbeiter der Krankenversicherung. Eine Angestellte rief ihn, er sprach mit dem Mann und vergaß das Gespräch schnell wieder.
Diese Urteile sollten Raucher kennen - bis zu 250.000 Euro Strafe drohen

Volle Beschattung von der Kasse
Zwei Wochen später flatterte die fristlose Kündigung seiner Krankenversicherung ins Haus. Er soll die Kasse hintergangen haben, trotz Krankschreibung im Bistro serviert haben. Speck wollte diesen Vorwurf nicht hinnehmen und zog vor Gericht. Die Kasse zog ihren stärksten Beweis hervor: den Bericht einer Detektei. Sie hatte auf 55 Seiten Handybilder, Fotos von ihm, seiner Wohnung, seines Bistros und von Bekannte, sowie vollständige Bewegungsprofile und Protokolle angefertigt. Speck fand Bilder von Terminen beim Arzt, las, dass auch seine Frau durchleuchtet worden war.
Das war wohl zuviel: Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft in Berlin gegen die mittlerweile geschlossene Detektei in Quickborn. Und auch der Berliner Datenschutzbeauftragter hat Anzeige erstattet.
Aber ist der Fall von Manfred Speck ein bedauerlicher Einzelfall? Wohl nicht: "Unsere Erfahrung ist, dass die Fälle leider immer mehr werden und vor allen Dingen die Versicherungen und die eingeschalteten Detekteien in eklatanter Weise gegen Persönlichkeitsrechte unserer Mandanten verstoßen", sagt der Kölner Rechtsanwalt Martin Reinboth dem "ZDF". "Niemand darf ohne begründeten Anfangsverdacht Versicherungsnehmer bespitzeln." Offenbar häufen sich die Fälle, in denen Krankenversicherungen ihre Kunden überwachen lassen.
Grün, modern, wohlhabend: Diese vier Städte in Deutschland sind besonders lebenswert

"Billig-Detektive" am Werk
Und diese Detekteien arbeiten nicht immer sauber, lässt Tamer Bakiner, Inhaber einer Wirtschaftsdetektei das "ZDF" wissen. "Das Problem ist, dass die Krankenkassen nicht nur am Patienten sparen wollen, sondern dass sie auch sehr schlechte Honorare bezahlen für Detektive, die sie beauftragen. Daher arbeiten die mit Online-Überwachung vom Büro oder von zu Hause aus." Er kritisiert, dass es immer mehr "Billig-Detektive" gebe, die auch illegale Methoden anwenden
Laut dem RedaktionsNetzwerk Deutschland und "Frontal 21" habe der Bundesverband Deutscher Detektive schon vor 15 Jahren berichtet, dass es rasante Zuwächste bei Beschattungen von mutmaßlichen Simulanten bei Krankenversicherungen gebe, "ein Viertel aller Aufträge drehte sich bereits darum."
Manfred Speck muss allerdings hinnehmen, dass er kein Krankentagegeld von seiner Krankenkasse bekommt, wenn er trotz Krankschreibung Kaffee einschenkt oder Tisch abwischt. Allerdings erklärte die Richterin am Berliner Landgericht in ihrem Urteil, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei. "Ein solcher Einsatz von Detektiven, der veranlasst wird, ohne dass konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine Berufsausübung des Versicherungsnehmers (während der Krankschreibung) vorliegen, stellt sich als unredliches Verhalten der Versicherung dar", so die Richterin, laut der "Hannoverschen Allgemeinen".
Speck erwartet, dass die Kasse das Urteil nicht so einfach hinnehmen wird. Eine Sprecherin der Kasse ließ "Frontal 21" wissen, man "prüfe den Sachverhalt derzeit intensiv, möchte dazu aber aktuell nicht Stellung nehmen."
Lesen Sie hier den Bericht über den Fall. Hier können Sie den Video-Beitrag von Frontal 21 ansehen.
