Gesetz zur Lohntransparenz Muss der Chef mir jetzt sagen, was die Kollegen verdienen?

Das neue Gesetz soll helfen, die Lohn-Diskriminierung von Frauen zu verhindern
Das neue Gesetz soll helfen, die Lohn-Diskriminierung von Frauen zu verhindern
© gradyreese/Getty Images
Der Bundestag hat ein Gesetz für Lohntransparenz beschlossen, das Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen offenlegen soll. Aber wie funktioniert das neue Auskunftsrecht in der Praxis?

Für diesen Moment hat Manuela Schwesig - SPD-Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - hart gekämpft. Nach langem Gezerre hat der Bundestag am Donnerstag ihr Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit verabschiedet. "Erstmals wird in einem eigenen Gesetz konkret festgeschrieben: Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit für Frauen und Männer. Wir wollen, dass Frauen genauso fair bezahlt werden wie Männer", erklärte Schwesig. Aber wird dieses Ziel durch das Gesetz, dem der Bundesrat noch zustimmen muss, auch erreicht? Und wie funktioniert die Gleichstellung beim Lohn in der Praxis? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Kann frau jetzt erfragen, wie viel ihr männlicher Kollege verdient?

Kern des Gesetzes ist ein individueller Auskunftsanspruch über das Gehalt von Kollegen in vergleichbaren Positionen. Frauen können allerdings nicht erfragen, wie viel ein bestimmter männlicher Kollege verdient, sondern immer nur den Durchschnittsverdienst einer Vergleichsgruppe im Unternehmen. So sollen Frauen in Erfahrung bringen können, ob sie insgesamt gegenüber Männern beim Gehalt benachteiligt werden.

Wer hat das Recht auf Auskunft und wer nicht?

Das Auskunftsrecht gilt nur in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern. Ausgenommen sind auch alle Betriebe, die tarifgebundenen sind oder einen Tarifvertrag anwenden und einen Betriebsrat haben. Das heißt aber auch: Alle Angestellten in kleineren oder mittelgroßen Betrieben haben nichts von dem Gesetz. Es ändert sich eigentlich nur etwas für die Mitarbeiter in größeren Betrieben ohne Tarifvertrag. Die Grünen-Politikerin Beate Müller-Gemmeke kritisiert dann auch, mehr als 90 Prozent der Frauen bringe das neue Gesetz überhaupt nichts. Wer nach Tarifvertrag bezahlt werde, könne einfach bei der Gewerkschaft nachfragen.

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Wie funktioniert der Auskunftsanspruch in der Praxis?

Einfach zum Chef gehen und nach dem Gehalt der männlichen Kollegen fragen? So einfach geht es in der Regel nicht. Wie man an die gewünschten Infos kommt, hat das Ministerium in einem komplizierten Diagramm erklärt: Ausgangspunkt ist das Beispiel einer Gruppenleiterin, die bereits mehrfach mit ihrer Forderung nach einer Gehaltserhöhung abgewiesen worden ist. Sie kann nun den Betriebsrat bitten, beim Arbeitgeber Einblick in die Lohn- und Gehaltslisten zu nehmen. Der Betriebsrat prüft daraufhin die Gleichwertigkeit der Vergleichstätigkeit und berechnet das mittlere Einkommen der sieben männlichen Gruppenleiter. Mit dieser Information kann die Gruppenleiterin sich wiederum an ihren Chef wenden und um benachteiligungsfreie Bezahlung bitten.

Wie kann eine Angestellte das höhere Gehalt tatsächlich durchsetzen?

Wenn der Arbeitgeber die Gehaltserhöhung verweigert, muss die Arbeitnehmerin in letzter Konsequenz klagen, um ihre Forderung durchzusetzen. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung gab es nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auch bisher schon. Bislang war es für Arbeitnehmerinnen allerdings schwierig, eine konkrete Diskriminierung nachzuweisen, wie erst kürzlich der Fall einer ZDF-Journalistin zeigte. Das könnte sich durch den Auskunftsanspruch ändern. Allerdings: Wer im Unternehmen bleiben will, der wird sich wohl zweimal überlegen, ob er seinen Arbeitgeber vor Gericht zerrt. Andererseits dürften auch Unternehmen ein Interesse daran haben, nicht wegen unfairen Löhnen verklagt zu werden.

Was steht noch im neuen Gesetz?

Neben der Auskunftspflicht ab 200 Beschäftigten sieht das neue Gesetz weitere Pflichten für Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten vor: Sie werden aufgefordert, regelmäßig ihre Entgeltstrukturen darauf zu überprüfen, ob Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern eingehalten wird. Zudem sollen die Arbeitgeber regelmäßig öffentlich einsehbare Berichte anfertigen, in denen über den Stand der Gleichstellung und Entgeltgleichheit berichtet wird.