Fleischmann sieht aus, wie er heißt: fett, hässlich, schmierig, ordinär. Er furzt im Minutentakt; noch häufiger kratzt er sich zwischen den Beinen. Aus Sicht des Musiksenders Viva, der Fleischmann erfunden hat, sieht so der zeitgemäße Telefonseelsorger aus: eine animierte Trickfigur, bei der Zuschauer anrufen und nach Herzenslust mosern dürfen. Fleischmann reagiert live, pöbelt und reißt Grimassen. Menschen jenseits der Pickel- und Piercing-Phase werden das mehrheitlich abstoßend finden. Darauf baut Viva: Was Erwachsene ekelt, kommt bei Jüngeren umso besser an.
Diese Erfahrung hat schon MTV gemacht und Viva zuletzt mit Reality- und Schock-Programmen den Rang abgelaufen. In "Jackass" etwa lässt MTV Menschen durch ein Becken mit Fäkalien schwimmen oder aus Erbrochenem einen Pfannkuchen braten - der MTV-Klientel gefällt's. Und auch die Peepshow der Familie des Rockmusikers Ozzy Osbourne sorgt regelmäßig für zweistellige Marktanteile bei jungen Zuschauern.
Das Resultat
derartiger Programme: MTV ist mit zwei Prozent Marktanteil bei 14- bis 29-Jährigen wieder Marktführer unter den Musikkanälen, Viva (1,5 Prozent) nur die Nummer zwei. MTV legte bei den Werbeeinnahmen zu, der Konkurrent aus Köln büßte Umsatz ein. Nun will das börsennotierte Viva kontern. Von kommender Woche an stellt der Kanal sein Abendprogramm sukzessive um. Dabei rücken Musikclip-Programme in den Hintergrund. "Viva wird ein Entertainmentprogramm für Jugendliche", sagt Konzernchef Dieter Gorny. Mit Musikvideos allein kann der Sender zwar Gewinn machen, mehr Publikum lässt sich aber nur mit schrillen Shows anlocken.
Was bei Viva künftig zu sehen sein wird, hat Gorny vergangene Woche vorsorglich den zuständigen Medienwächtern in Düsseldorf gezeigt. Die reagieren traditionell nervös auf solche Programme - vor allem in Sachen Jugendschutz. MTV-Chefin Catherine Mühlemann war mit Beschwerden und Anzeigen wegen der Ekelshows überschüttet worden. Viva-Gründer Gorny agiert vorsichtiger: "Das Programm ist frech, aber es geht weniger handfest zur Sache als bei der Konkurrenz." Bei den Jugend- und Medienschützern kam Gorny damit durch.
Neben "Fleischmann TV"
soll von Ende April an die Puppencomedy "Crank Yankers" laufen - eine Art Muppets auf Ecstasy. Für das Drehbuch haben Comedians wahllos Amerikaner telefonisch belästigt und die Reaktionen mit Puppen nachgespielt. "Yankers" beschimpfen Telefonistinnen, veralbern Immobilienmakler oder beschuldigen einen Automechaniker, er hätte bei der Reparatur des Wagens auf den Rücksitz geschissen. Das ist zuweilen witziger, als man vermutet. In den USA, wo Viva-Großaktionär AOL Time Warner die Serie zeigte, schalteten regelmäßig über eine Million Menschen ein.
Aus dem Ausland stammt auch die preisgekrönte "Da Ali G Show": eine Comedy, in der ein durchgeknallter Rapper provoziert - etwa, indem er auf einem Skinhead-Konzert einen der Besucher fragt: "Gibt es eigentlich Skinheads, die nicht schwul sind?" Viva bedient sich auch aus dem Fundus seiner Produktionsfirma Brainpool ("Elton.TV") und kooperiert mit RTL bei "Deutschland sucht den Superstar". "Superstar"-Krächzer Daniel Küblböck gibt ein paar Tage den Co-Moderator bei Viva. MTV setzt weiter auf Reality: eine deutsche Version der US-Flirt-Show "Dismissed" kommt im Mai.
Nur Freitag- und Samstagabend
bleibt Musik-TV bei Viva, wie es war: Clips, Clips, Clips. Dann lohnen sich teure Shows nicht: "In den paar Stunden vor der Disco", sagt Viva-Chef Gorny über sein Publikum, "föhnen die sich sowieso die Haare."