New Yorker investieren in Thüringen Der teuerste Rasierklingen-Kauf der Welt

Ein kleines New Yorker Startup, nicht mal ein Jahr alt, kauft einen Klingenproduzenten aus Thüringen - für 100 Millionen US-Dollar. Warum bloß? Acht Fragen an die neuen Fabrikbesitzer.

Plötzlich waren sie da, die Amerikaner. Und mit ihnen kam das große Geld nach Eisfeld, Landkreis Hildburghausen in Thüringen. Eine sehr kleine Kleinstadt: 5700 Einwohner; rote Dächer vor sanften Hügeln, ein bisschen Spätgotik, ein Pfarrhaus, einmal im Jahr das Kuhschwanzfest Für kolportierte 100 Millionen US-Dollar kaufte Harry's, ein gerade ein Jahr altes Startup aus New York, Ende Januar die Feintechnik GmbH.

Die Eisfelder Fabrik produziert seit 1920 Rasierklingen. Deutsche Tradition, deutsche Präzision. Harry's dagegen vertreibt Klingen im Internet. Klingt durchaus sinnvoll -aber Big Apple und thüringische Provinz? Passt das zusammen? Was ändert sich, und was ist unveränderlich? Warum ausgerechnet diese Fabrik? Warum Eisfeld? Wir haben Andy Katz-Mayfield, einen der beiden Gründer von Harry's, gefragt.

Herr Katz-Mayfield, 100 Millionen US-Dollar für eine Fabrik, die Sie nicht kannten, in einem Dorf, von dem Sie noch nie gehört hatten. Warum?
Wir wollten unbedingt eine eigene Fabrik, aber die Maschinen sind einfach extrem teuer. Uns wurde klar, dass wir nach bestehenden Fabriken Ausschau halten müssen. Ich und Jeff Raider (der Partner, d. Red.) haben gesucht, gesucht, gesucht. Nichts! Das, was wir fanden, war nicht zufriedenstellend. Bis eines Tages in einem Forum von dieser Fabrik in Deutschland die Rede war. Der Tipp kam also aus dem Internet.

Sie sind sofort ins Flugzeug gestiegen?
Nicht sofort. Ich habe erstmal bei Google Maps nachgeschaut. Zugegeben, so viel wusste ich über Eisfeld zu dem Zeitpunkt nicht (lacht). Ich habe auch noch bei einem Freund in Stuttgart nachgefragt. Irgendwann dachten wir, hey, das klingt alles echt ziemlich gut, vielleicht ist es das! Dann haben wir Kontakt aufgenommen.

Wie lief Ihr Besuch in Eisfeld?
Wir mögen es in Eisfeld. Es ist ruhiger und entspannter als in New York. Die Sprache ist ganz offensichtlich die größte Barriere, der größte Unterschied. Aber das war bei den Gesprächen kein Problem. Wenn man es auf die unternehmerischen Werte runterbricht, dann gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen Feintechnik und uns. Auch deshalb war der Kulturschock nicht ganz so heftig.

Das klingt jetzt nach Managerrhetorik. Waren Sie am Anfang nicht befremdet? In Eisfeld wird kaum Englisch gesprochen, sondern Itzgründisch, ein Dialekt, der aus dem Mainfränkischen stammt. Schon mal gehört?
Nein, nein! Man muss verstehen: Wir haben so lange nach einer Fabrik gesucht, ohne fündig zu werden. Als wir endlich in Eisfeld ankamen, waren wir einfach nur glücklich. Glücklich und beeindruckt, von der Expertise, vom Management und der Tradition. Uns musste man gar nicht lange überzeugen, hier einzusteigen. Und wir wollen hier ja auch nicht anrücken und die Bosse spielen. Wir wollen lernen. Gemeinsam was Großes aufbauen.

morgenstern

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Wie groß? Der Rasierklingenmarkt wird von Gillette und Wilkinson-Sword dominiert, etwa 85 Prozent entfallen auf die beiden Branchenriesen. Hat Harry's eine Chance?
Ich denke jetzt nicht den ganzen Tag über Marktanteile nach. Echt nicht. Fakt ist: Wir haben ein hochwertiges Produkt, wir vertreiben über das Internet und sparen so Kosten. Die Klingen der großen Player sind doch völlig überteuert. Wir sind effizient. Mal schauen, wo uns das hinführen kann.

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, Rasierklingen über das Web zu verkaufen?
Entscheidend war der Besuch in einer Drogerie, das ist schon ein paar Jahre her. Ich brauchte Rasierklingen, aber die waren natürlich weggeschlossen. Das ist bei uns üblich, aber schon mal unglaublich frustrierend. Und dann sollten die Klingen mal wieder 25 Dollar kosten. Das hat mir gereicht. Ich habe mich mit Jeff zusammengetan, wir kennen uns seit dem College. Aus dieser Genervtheit heraus ist Harry's entstanden.

Was ändert sich mit der Übernahme für die mehr als 400 Mitarbeiter bei Feintechnik?
Nichts.

Und wie oft schauen Sie in Eisfeld vorbei?
Bis jetzt komme ich einmal im Monat. Das Pensum will ich halten.

Interview: Moritz Herrmann

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