Die Wirtschaft kommt schneller als befürchtet aus dem tiefsten Konjunkturtal der Nachkriegsgeschichte. Entgegen vielen Befürchtungen bleiben die Preise dabei stabil. Doch der Aufschwung geht am Arbeitsmarkt vorbei und wird zudem von der akuten Euro- und Schuldenkrise gefährdet. Zu diesen Ergebnissen kommt der Wirtschaftsausblick der OECD.
"Die tendenzielle Wachstumsdynamik ist intakt", erklärte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch in Paris. Doch die Staatsschulden und die Gefahr der Überhitzung in China stellten die Politik vor größere Schwierigkeiten als noch vor ein paar Monaten gedacht.
"Das ist ein entscheidender Augenblick für die Weltwirtschaft", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. "Viele OECD-Länder müssen jetzt die Unterstützung eines noch immer brüchigen Aufschwungs mit einer nachhaltigeren Haushaltspolitik in Einklang bringen." Dafür sei "eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene erforderlich". Die Konjunkturprogramme müssten bis 2011 auslaufen und die Geldpolitik müsse normalisiert werden.
Die OECD hob die Wachstumsprognosen im Vergleich zu November 2009 spürbar an. Deutschland kann dank anziehender Exporte im laufenden Jahr mit 1,9 Prozent und 2011 sogar mit 2,1 Prozent Wachstum rechnen. Das reicht aber nicht einmal aus, um den Einbruch um 4,9 Prozent im Jahre 2009 wettzumachen. Der private Konsum dürfte in diesem Jahr sogar schrumpfen. Dabei dürfte die Arbeitslosigkeit 2010 um 0,2 Prozentpunkte auf 7,6 Prozent steigen und 2011 sogar acht Prozent erreichen (Standard der Internationalen Arbeitsorganisation ILO).
Recht lahm ist der Aufschwung in Deutschland und dem ganzen Euro- Raum im Vergleich zu Asien und Nordamerika. So dürfte die US- Wirtschaft in diesem Jahr und im nächsten Jahr jeweils um 3,2 Prozent expandieren. Selbst Japan kann nach seinem Einbruch um 5,2 Prozent jetzt mit drei Prozent und 2011 immerhin mit zwei Prozent Erholung rechnen. Für den gesamten OECD-Raum summiert sich das auf 2,7 Prozent Wachstum in diesem Jahr und 2,8 Prozent 2011.
Ein Motor der Erholung ist die kräftige Nachfrage aus China und anderen Schwellenländern. "Ein starker positiver Faktor für den Aufschwung war, dass die Märkte offen gehalten wurden", erklärt OECD- Chefvolkswirt Pier Carlo Padoan. So kann China in diesem Jahr wieder mit sagenhaften 11,1 Prozent und 2011 mit 9,7 Prozent Wachstum rechnen. Indien treibt mit 8,3 und 8,5 Prozent ebenfalls das Schwungrad an. Für Brasilien rechnet die OECD in diesem Jahr mit 6,5 Prozent, für Russland immerhin mit 5,5 Prozent Wachstum.
Wegen der "Gefahr einer Überhitzung in den aufstrebenden Volkswirtschaften" will Padoan jedoch "ein Boom-and-Bust-Szenario" nicht ausschließen, also ein abruptes Wachstumsende mit negativen Folgen für die 31 OECD-Länder. Eine Flexibilisierung des Wechselkurses könnte den Druck auf Chinas Geldpolitik vermindern und Spielraum im Kampf gegen die Inflation in China schaffen.
Sorgenkind der Konjunktur bleibt der Arbeitsmarkt. In den vergangenen zwei Jahren stieg die Zahl der Arbeitslosen im OECD-Raum um mehr als 16 Millionen. Ohne die Zunahme der Kurzarbeit und die "automatischen Stabilisatoren" der Sozialsysteme wäre die Entwicklung sogar noch schlimmer gewesen. "Die Arbeitslosenquote könnte mit achteinhalb Prozent für den OECD-Raum insgesamt nun ihren Höhepunkt erreicht haben", meint die OECD. Jetzt müsse man jene Arbeitskräfte unterstützen, die am stärksten von "Langzeitarbeitslosigkeit und Loslösung vom Arbeitsmarkt bedroht" seien. Da helfen keine teuren Vorruhestandsregelungen, sondern nur gezielte Sonderprogramme.
Mit dem Aufschwung steigt zwar der Bedarf an Arbeit wieder, doch der wird in Europa und Japan vor allem über längere Arbeitszeiten und höhere Arbeitsproduktivität gedeckt werden. "Das Bruttoinlandsprodukt könnte in Deutschland und Japan ohne jede Zunahme der Beschäftigung um mehr als acht Prozent steigen", meint die OECD. Ganz anders ist die Lage in den USA. Dort haben die Unternehmen in der Rezession viele Mitarbeiter entlassen und werden nun im Aufschwung wieder Stellen schaffen.
Ein "großes Risiko" sieht die OECD am Markt für Staatsanleihen. Die Instabilität habe sich vom Euro-Raum auf andere Teile der Welt ausgeweitet. Die Verschuldung führe über höhere Risikoprämien zu höherer Schuldenlast, während das Wachstum gebremst werde. Das könne auch die Konjunktur in anderen Ländern ausbremsen. Im Euro-Raum müssten die "strukturellen Schwachstellen" behoben werden.