In der US-Schuldenkrise erhöht nun der Internationale Währungsfonds (IWF) den Druck auf die Politik. Angesichts der festgefahrenen Verhandlungen und der zunehmenden Zeitnot mahnte der Geldgeber am Montag die Vereinigten Staaten, ihrer Verantwortung für die Weltwirtschaft gerecht zu werden. Sollten sich US-Präsident Barack Obama und die oppositionellen Republikaner nicht rasch auf eine Anhebung der Schulden-Obergrenze und ein tragfähiges Sparprogramm einigen, befürchtet der IWF erhebliche Gefahren für die weltweite Konjunkturerholung.
Nach Darstellung der Regierung bleibt nur noch gut eine Woche Zeit, um eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Sollte es bis Dienstag kommender Woche keine Einigung darüber geben, dass Washington mehr Schulden machen darf als die gesetzlich festgeschriebenen 14,3 Billionen Dollar, kann die Regierung ihre Rechnungen nicht länger bezahlen. Auf dem Spiel steht zugleich die Top-Bonitätsnote "AAA". Bislang gelten die USA als einer der zuverlässigsten Schuldner der Welt.
"Diese Risiken würden signifikante globale Auswirkungen haben, da die US-Staatsanleihen auf den weltweiten Finanzmärkten eine zentrale Rolle spielen", warnte der IWF. Er forderte, das Land müsse ab dem kommenden Haushaltsjahr, das am 1. Oktober beginnt, weitgehende Schritte einleiten, um seine Schulden unter Kontrolle zu bringen. Sonst drohe ein dramatischer Verlust an Glaubwürdigkeit. Nötig sei ein mittelfristiger Plan zur Reduzierung der Schuldenlast. "Die Strategie sollte Reformen im Bereich der Sozialleistungen umfassen einschließlich zusätzlicher Kostenersparnisse in der Gesundheitsvorsorge und ebenso Einnahmensteigerungen einschließlich der Rückführung von Steuervergünstigungen", schlug der Fonds vor.
Desaster größeren Ausmaßes
Nach gescheiterten Anläufen auch übers Wochenende wollten Demokraten und Republikaner ihre Verhandlungen noch am Montag fortsetzen. Präsident Obama und führende Vertreter der beiden politischen Lager betonten zwar, den Ernst der Lage erkannt zu haben, fanden bislang aber keinen Kompromiss. Die Republikaner, die im Abgeordnetenhaus die Mehrheit haben, sind strikt gegen die von den Demokraten geplanten Steuererhöhungen. Obamas Demokraten, die den Senat dominieren, dagegen wollen kräftige Einschnitte in die Sozialsysteme verhindern.
Die Finanzmärkte werden durch die US-Schuldenkrise immer stärker belastet. "Wenn die Politiker jetzt keine Lösung finden, steuern wir auf ein Desaster größeren Ausmaßes zu", sagte Zinsexperte Fidelio Tata von SG Corporate & Investment Banking. Doch viele Marktteilnehmer gehen noch davon aus, dass in letzter Minute eine Einigung gelingt. Daher blieben auch am Montag Panikverkäufe an den Börsen aus. "Die Dinge kümmern uns nicht, bis zu dem Tag, an dem sie uns wirklich wehtun", sagte Marktstratege Quincy Krosby von Prudential Financial. "Wir nähern uns dem Tag, an dem es uns wehtut."
Um vor allem die wichtigen asiatischen Investoren bei Laune, demonstrierte US-Außenministerin Hillary Clinton bei einem Besuch in Hongkong Zuversicht. Sie gehe davon aus, dass der Kongress das Richtige tun und rechtzeitig eine Einigung auf eine höhere Schuldenobergrenze erreicht werde, sagte Clinton. "Wir wissen, wie wichtig dies für uns ist und wie wichtig es für Sie ist", betonte sie vor Managern. Vor allem China sorgt sich über die bislang ungelösten Probleme und hatte jüngst den Schutz seiner Investitionen angemahnt. Denn die Volksrepublik hält US-Staatsanleihen im Wert von mehr als einer Billion Dollar und ist damit der größte Gläubiger der US-Regierung.
Verfassung bietet Schlupfloch
In beiden Kongresshäusern wird an unterschiedlichen Lösungen gearbeitet. Der demokratische Senator Harry Reid plädiert dafür, die Schuldenobergrenze um 2,7 Billionen Dollar anzuheben und die Ausgaben gestreckt über zehn Jahre um den gleichen Betrag zu senken. Damit wäre die Regierung bis zur Präsidentenwahl im November 2012 finanziell aus dem Schneider. Der einflussreiche Republikaner John Boehner hingegen will die Schuldenobergrenze nur schrittweise erhöhen und damit das heikle Thema noch vor der Wahl wieder auf den Tisch bringen. Beide Pläne sehen offenbar keine Steuererhöhungen vor, auf die Obama bisher bestand.
Sollte es auch bis Ablauf der Frist am 2. August keine Verständigung geben, bietet die US-Verfassung dem Präsidenten ein Schlupfloch. Eine bislang wenig bekannte Klausel im 14. Verfassungszusatz würde es Obama ermöglichen, die Zustimmung der Parlamentarier zu umgehen. Darin heißt es, die öffentlichen Schulden "dürfen nicht infrage gestellt werden".