Laut einer aktuellen Studie ist das Medienimage des einst hoch geschätzten Siemens-Konzerns so schlecht wie seit Jahren nicht mehr, die negativen Nachrichten überwiegen die positiven. "Das Wunderkind Siemens hat Glanz verloren", sagt Frank Brettschneider, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim. Auf der Hauptversammlung an diesem Donnerstag dürfte die Schmiergeldaffäre wieder die zentrale Rolle spielen.
Schäden auf dem Heimatmarkt
Auch Siemens ist sich des Ernsts der Lage bewusst. Der Konzern habe schwere Schläge gegen den "hart erarbeiteten guten Ruf" einstecken müssen, erklärte Vorstandschef Klaus Kleinfeld. Das Image des Konzerns habe vor allem auf dem Heimatmarkt gelitten. "Ich habe nicht den Eindruck, dass wir anderswo ähnlich in der Kritik stehen", sagte er dem "Spiegel". Das sei aber auch verständlich. "Siemens war und ist eine deutsche Ikone, die auch für moralische Werte und Integrität steht."
Derzeit aber dominiert der Schmiergeldskandal die öffentliche Wahrnehmung. Die insgesamt erfolgreiche geschäftliche Entwicklung des Konzerns gerät dabei sehr zum Verdruss von Kleinfeld in den Hintergrund. Daran dürfte auch die Veröffentlichung guter Quartalszahlen am Donnerstag vor Beginn der Hauptversammlung nichts ändern.
Ab Mitte 2003 ging's bergab
Die Untersuchung der Universität Hohenheim zeigt den Imageverlust durch die Negativ-Themen. Die Kommunikationswissenschaftler untersuchten mehr als 17.000 Veröffentlichungen über Siemens und sein Management in den führenden deutschen Medien seit 1998. Seit Mitte 2003 ging es demnach mit dem Image des einstigen Vorzeigekonzerns bergab. Zwar gab es schon früher etwa wegen der Schließung des Chipwerks in England 1998 oder des massiven Stellenabbaus in den vergangenen Jahren öffentliche Kritik. Durch die Verkündung des Konzernumbaus, den Verweis auf erfolgreiche Auslandsgeschäfte und neue Produkte sei es Siemens aber immer wieder gelungen, die Image-Kratzer auszupolieren, betont Brettschneider.
Bei der umstrittenen Gehaltserhöhung für den Vorstand, dem BenQ-Debakel und der Schmiergeldaffäre sei dies zuletzt jedoch nicht mehr gelungen. Siemens bekenne sich selbst dazu, gesellschaftliche Verantwortung anzunehmen. "Vor diesem Hintergrund stellt der aktuelle Korruptionsskandal das Vertrauen in das Unternehmen und seine Philosophie besonders in Frage."
"Katastrophale Kommunikationspolitik"
Aktionärsschützer machen die Siemens-Führung für das Image-Desaster mit verantwortlich. "Die katastrophale Kommunikationspolitik des Vorstands hat dem Image von Siemens geschadet", sagt Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Die DSW will, wie andere Kleinaktionäre auch, auf der Hauptversammlung gegen die Entlastung der Führungsspitze stimmen. Bereits Anfang 2006 hätten Erkenntnisse über Korruptionsfälle im Unternehmen vorgelegen, sagt Hocker. "Das Management hätte schneller, offensiver und proaktiv an die Öffentlichkeit gehen müssen." Auch Experte Brettschneider empfiehlt Offenheit: "Wie die Unternehmensgeschichte selbst beweist, kommt es in schwierigen Zeiten vor allem darauf an, offen zu kommunizieren."