Stromkonzerne Kartellamt droht mit Zwangsmaßnahmen

Strategiewechsel beim Bundeskartellamt: Bernhard Heitzer, Chef der Behörde, tritt erstmals offen für eine Zerschlagung der Stromkonzerne ein. Er will die großen Energieversorger dazu zwingen, ihre zahlreichen Beteiligungen an Stadtwerken zu verkaufen.

Das Bundeskartellamt will die großen deutschen Energiekonzerne zwingen, ihre milliardenschweren Beteiligungen an Stadtwerken und Regionalversorgern zu verringern. "Der hohe Beteiligungsbesitz der Energiekonzerne ist eines der größten Hindernisse für mehr Wettbewerb auf den Endkundenmärkten", sagte Kartellamtspräsident Bernhard Heitzer der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). Bei den großen Energieversorgern stieß der Vorstoß des obersten deutschen Wettbewerbshüters auf Widerspruch.

Mehr Wettbewerb durch Zwangsverkauf

Der Kartellamtspräsident betrat mit der Forderung nach einer Entflechtung der Stadtwerksbeteiligungen Neuland. Bisher sehen die kartellrechtlichen Bestimmungen - auch das gerade novellierte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - dies nicht vor.

Doch sieht Heitzer durch einen Zwangsverkauf "die Chance für mehr Wettbewerb, ohne dringend notwendige Investitionen in Netze und Kraftwerke zu gefährden." "Wir brauchen eine Obergrenze für den zulässigen Verflechtungsgrad", verlangte er. Die neue Strategie markiert auch einen Wendepunkt in der Politik des Kartellamts. Bisher hatte die Wettbewerbsbehörde Forderungen nach einer Zerschlagung der Energiekonzerne eher skeptisch gegenübergestanden.

Heitzer betonte auch im Gespräch mit der "FAZ", die Abspaltung von Netzen oder Erzeugungskapazitäten, wie sie etwa von der EU-Kommission gefordert werde, könne wegen der dann absehbaren Rechtsstreitigkeiten nur die "Ultima Ratio" sein. Bei den Stadtwerksbeteiligungen liege der Fall dagegen anders, sagte Heitzer. Denn diese gehörten nicht zum Kerngeschäft der Versorger. Käufer für die Beteiligungen zu finden, sei kein Problem, wie das Beispiel Leipzig zeige. Dort gebe es 17 Interessenten für die Stadtwerke.

Energieriesen weisen Kritik zurück

Deutschlands zweitgrößter Energieversorger RWE reagierte ablehnend auf Heitzers Vorstoß. Eine Konzernsprecherin sagte der Nachrichtenagentur AP: "Auch das geltende Kartellrecht bietet schon genügend Instrumentarien, um den Wettbewerb zu schützen." Außerdem seien alle RWE-Beteiligungen vom Kartellamt geprüft und genehmigt worden.

Auch der baden-württembergische Stromversorger EnBW bezeichnete die Kritik des Kartellamts als "nicht nachvollziehbar". Bei den insgesamt 40 EnBW-Beteiligungen handele es sich fast ausschließlich um Minderheitsbeteiligungen - ohne Einfluss auf die Geschäftsführung oder die Preisstrategie. Marktführer Eon wollte zu den Äußerungen des Kartellamtspräsidenten zunächst nicht Stellung nehmen. Vattenfall war zunächst nicht zu erreichen.

Heitzer wittert missbräuchliches Verhalten

Laut "FAZ" sind die vier großen deutschen Versorger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall an etwa der Hälfte aller deutschen Stadtwerke und Regionalversorger mit wenigstens 10 Prozent beteiligt. Dies sichere den Konzernen den unmittelbaren Zugang zu den Kunden und direkten Einfluss auf die Preisbildung auf den regionalen Märkten.

Heitzer ließ offen, in welchem Umfang die Versorger nach seinen Vorstellungen Beteiligungen abgeben müssten. Das Limit müsse auf einem "wettbewerbsunschädlichen" Niveau angesetzt und der überschießende Teil abgetrennt werden, meinte er lediglich. Mit Blick auf die kürzlich erfolgte Novellierung des Wettbewerbsrechts betonte der Kartellamtspräsident: "Wir werden die neuen gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, um missbräuchliche Preiserhöhungen zu stoppen". Heitzer sieht angesichts der jüngsten Strompreiserhöhungen "zum Teil starke Indizien, dass ein missbräuchliches Verhalten vorliegen könnte".

AP
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