Ich bin ein Verfechter der ARD-Sportschau - nicht weil ich sie für ein gutes journalistisches Produkt halte, sondern weil sie traditionell verankert und nach wie vor beliebt ist, und weil sie dadurch der Fußball-Bundesliga langfristig hohe Bekanntheits- und Popularitätswerte sichert. Doch dass nun eine Behörde für den Erhalt der Sportschau oder eines ähnlichen Sendeformats per Order verfügt, halte ich für eine Anmaßung. Das Bundeskartellamt gibt nämlich bei seiner Prüfung des TV-Vermarktungsplans der DFL vor, dass es die angeblichen Interessen der Verbraucher, also der Fernsehzuschauer, beeinträchtigt sieht. Nur unter der Bedingung, dass eine samstägliche Höhepunktberichterstattung über die Bundesliga im Free-TV vor 20 Uhr gewährleistet sein muss, sei die Zentralvermarktung gerechtfertigt. Diese Form der Rechtevergabe sei zwar ein Kartell, aber ein zulässiges, weil der Verbraucher davon profitiere.
Für die Zeit ab der Saison 2009/10 plante die DFL, die Rechte von der Agentur Sirius vermarkten zu lassen, einer Tochtergesellschaft des Medienunternehmers Leo Kirch. Dieser Vertrag, der der DFL jährlich 500 Millionen Euro sichern sollte, scheint nun hinfällig zu sein.
Zu den Aufgaben des Kartellamts zählt es, Kartelle zu verhindern, Fusionen zu kontrollieren und die europäischen Wettbewerbsregeln mit den deutschen in Einklang zu bringen. Keineswegs zu seinen Aufgaben gehört es, das Fernsehprogramm in Deutschland zu bestimmen. Zumal der Befund des Kartellamts nach einer "Lex Sportschau" ("Süddeutsche Zeitung") riecht und es nun mit dem Verdacht leben muss, unter politischem Einfluss zu handeln oder zumindest unter vorauseilendem Gehorsam. Wenn einem der möglichen DFL-Pläne, dem Pay-TV zu Lasten des Free-TV mehr Exklusivität zuzusichern, grünes Licht erteilt worden wäre, hätten sich sicher Politiker im gar nicht mehr so fernen Bundestagswahlkampf gefunden, sich für die bedrohte Art Sportschau einzusetzen. Es lebe das Staatsfernsehen.
Subventionen für das Milliardengeschäft
Zwar behauptet Bernhard Heitzer, der Präsident des Kartellamts, dass er nicht im Sinne gehabt habe, die ARD zu protegieren; es dürften schließlich auch Privatsender um die Übertragungsrechte bieten. Doch läuft das ganze am Ende wohl auf die ARD hinaus, weil sich die teuren Fußballrechte nur schwer wieder refinanzieren lassen. Da die ARD aber über die Quasi-Steuer Gebührengeld verfügt, kann sie sie sich leisten. Das wäre eine weitere öffentliche (wenn auch indirekte) Subvention für das Milliardengeschäft Profifußball. Ob das die verbraucherfreundliche Lösung ist, die das Kartellamt angeblich anstrebt?
Eine Gruppe spielt in der ganzen Diskussion erneut keine Rolle: die Stadionfans, denen es sogar lieber sein dürfte, wenn die Bundesliga-Höhepunkte später im Fernsehen gezeigt werden, denn zur üblichen Sportschau-Zeit sind sie noch auf dem Heimweg. Bezeichnend, dass sie nicht gemeint sind, wenn von Verbrauchern die Rede ist.
Zum Autor
Oliver Fritsch (36) ist freier Journalist und Gründer der drei Online-Plattformen indirekter-freistoss.de, der täglichen Fußball-Presseschau, hartplatzhelden.de, der Video-Community für Amateurfußballer und direkter-freistoss.de, einem Zirkel ausgewählter Fußball-Blogger. Außerdem ist er beim mittelhessischen Kreisligisten RSV Büblingshausen als Spielertrainer und Libero aktiv, aber nicht übergewichtig.
So fragwürdig die Intervention des Kartellamts sein mag - die Reaktionen vieler Verantwortlicher des deutschen Fußball sind wieder mal entlarvend. Den Vogel schießt DFB-Präsident Theo Zwanziger ab: "Dieses Geld fehlt uns dann für gemeinnützige Zwecke wie die Nachwuchsförderung, den Bau von Bolzplätzen und die Förderung des Ehrenamtes." Oh, welch Heuchelei! Als ob die Mehreinnahmen durch Fernsehverträge dem Jugendfußball zugute kämen. Als ob es Kirch darum ginge, das Ehrenamt zu fördern.
Rummenigge stimmt das alte Klagelied an
Auch die Beschwerde der DFL, die Bundesliga sei nun wirtschaftlich bedroht, klingt komisch. Bis vor kurzem hieß es noch, die Bundesliga sei eine blühende Landschaft. Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge stimmt das alte Klagelied an: "Einen Champions-League-Sieger sehe ich im deutschen Vereinsfußball angesichts der herrschenden Knebelungen in den nächsten Jahren nicht." Zwanziger assistiert ihm: "Wenn man auf diese Art dazu beitragen will, dass wir künftig wieder in den EM-Vorrunden ausscheiden, dann tut man vielen Millionen Fußballfans keinen Gefallen." Ist Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich nur eine Geldfrage? Ist der Rückstand des deutschen Fußballs nicht eher die Folge mangelhafter Trainingsmethoden und eindimensionaler Unternehmensführung?
Der neue Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann lässt diese Ausrede nicht gelten, im "SZ"-Interview sagt er: "Ich akzeptiere das Argument der finanziellen Diskrepanz nicht. Die Top-15-Vereine in Europa sind alle mit Nationalspielern bestückt. Und letztlich ist die Atmosphäre, ist die Arbeitsphilosophie wichtiger als ein Hundert-Millionen-Transfer." Rummenigge und Klinsmann - gegensätzlicher können Figuren kaum sein.
Warum nicht gleich die Einzelvermarktung zulassen und den Markt entfesseln? Sicher, die Sorgen um den ligainternen Wettbewerb sind berechtigt, Reiche würden reicher, der Abstand zu den Kleineren größer; die Bundesliga lebt nun mal auch davon, dass Arminia Bielefeld gegen Bayern München gewinnen kann. Doch nicht nur viele Sportökonomen ziehen die Einzelvermarktung dennoch vor. Reiche Vereine, die ein Interesse an einer relativen Stärke ihrer Gegner haben müssen, könnten einen freiwilligen Finanzausgleich leisten. Das ist ein Thema, das einmal grundsätzlich bearbeitet werden sollte - und zwar von der Politik, meint der Sportjournalist Jürgen Kalwa. In seinem Blog "American Arena" schreibt er: "Nur der Gesetzgeber kann allumfassend das löchrige und den neuen Entwicklungen hinterherhinkende Wirtschaftsrecht modernisieren, um uns für die Zukunft klare Richtlinien zu geben. Eine Beschäftigung des Bundestages mit einem konstruktiven, neuen Sportrecht könnte viele Fragen klären." Eins gibt Kalwa auch zu bedenken: "Einen Mann wie Karl-Heinz Rummenigge sollte man lieber nicht behelligen."