Swissleaks-Held Hervé Falciani Das filmreife Leben des Datendiebes

Der Mann hinter Swissleaks ist seit Jahren auf der Flucht vor den Schweizer Behörden. Er reist mit Bodyguards und ließ sich bereits zu seinem eigenen Schutz verhaften. Nicht alle sehen ihn als Helden.

Die Genugtuung muss groß sein bei Hervé Falciani. Der Ex-Banker und Computerspezialist hat es geschafft, die zweitgrößte Bank der Welt in Bedrängnis zu bringen - die internationale Großbank HSBC. Falciani hat Daten von mehr als 100.000 Kunden aus rund 200 Ländern beschafft. Nach Auswertungen des Recherchenetzwerks ICIJ dokumentieren sie Verbindungen zu Waffenschiebern, Diamantenschmugglern, Terrorismus-Finanzierern und anderen finsteren Gestalten. Swissleaks ist das wohl größte Datenleck in der Bankengeschichte.

Es ist ein später Triumph für Falciani. Denn beschafft hat er sich die Daten bereits 2006. Damals wechselte der kleine HSBC-Angestellte von der Dependence in Monaco nach Genf in die Schweiz. Dort gelangte er an den ungeheuren Datenschatz. Wie genau, darüber hat Falciani über die Jahre widersprüchliche Angaben gemacht. Wie auch zu so vielen anderen Details.

Ein zwielichtiger Held

Unklar ist beispielsweise, welche Motivation den Whistleblower ursprünglich antrieb. Wollte er Missstände aufdecken zum Wohle der Gesellschaft? Oder wollte er sich vor allem selbst bereichern?

Gemeinsam mit seiner Geliebten Georgina Mikhael, damals ebenfalls bei HSBC angestellt, soll er anfangs versucht haben, die Kundendaten zu hohen Preisen in den Libanon zu verkaufen. Sogar der israelische Geheimdienst Mossad sei auf ihn aufmerksam geworden, prahlt Falciani. Doch das Paar zerstreitet sich, Mikhael wird Falciani später in den Medien als geldgierigen Datenhehler darstellen.

Da sind die Datendiebe schon längst ins Visier der Schweizer Fahnder geraten. Ende 2008 bestellt die Schweizer Polizei Falciani zum Verhör ein. Am Abend wird Falciani entlassen, er soll sich jedoch am nächsten Tag wieder auf der Wache einfinden. Doch Falciani denkt nicht daran. Er packt seine Frau (nicht die Geliebte) und Tochter in ein Auto und fährt über die französische Grenze. Dort lädt er die Daten herunter, die er auf ausländischen Servern deponiert hat und übergibt sie den französischen Behörden.

Nur im Gefängnis sicher

Falciani sieht sich fortan als Held im Kampf gegen den Schweizer Schwarzgeldsumpf. Er lebt versteckt und steht unter Polizeischutz. Vergeblich versuchen die Schweizer Behörden eine Auslieferung des Italo-Franzosen zu erreichen. Doch allzu sicher fühlt sich Falciani offensichtlich nicht.

Mitte 2012 lässt er sich in Spanien verhaften, weil er meint im Gefängnis sicherer zu sein. Schließlich hat er mit seinem Datenklau nicht nur die HSBC und Schweizer Behörden zum Feind gemacht, sondern auch all die dubiosen Kriminellen, deren Geldflüsse er enttarnte. Auch die Spanier liefern Falciani nicht aus. Zehn Monate später wird er entlassen und geht zurück nach Frankreich.

In einer Reihe mit Edward Snowden

Mit Hilfe von Falcianis Bankdaten können Hunderte Steuersünder enttarnt werden. Französische, spanische und US-amerikanische Behörden greifen zu. Dennoch ist Falciani enttäuscht von der Wirkung seines Coups. In einem Interview mit dem "Spiegel" im Jahr 2013 sagt er, es seien "nicht einmal ein Prozent der Informationen, die ich geliefert habe, ausgewertet worden". Auch die deutschen Behörden hätten nichts von seinen Informationen wissen wollen.

Falciani sieht sich mittlerweile in einer Reihe mit Edward Snowden, den er einen Seelenverwandten nennt. "Banken wie HSBC haben ein System aufgebaut, um sich auf Kosten der Gesellschaft zu bereichern, indem sie Steuerhinterziehung begünstigen und bei der Geldwäsche behilflich sind", sagte Falciani in dem "Spiegel"-Interview.

Der Mann will Anerkennung, keine Frage. Im vergangenen Jahr kandidierte er vergeblich für das Europaparlament. Nun erhalten Falcianis Dokumente endlich die von ihm ersehnte Aufmerksamkeit.