Unmittelbar vor dem vermutlich letzten Einigungsversuch im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes lassen die Arbeitgeber noch einmal die Muskeln spielen: Bundesinnenminister Otto Schily drohte für den Fall eines Streiks mit einer Nullrunde. Ver.di-Vorstandsmitglied Kurt Martin wies diese Drohung umgehend zurück und warf Schily vor, den volkswirtschaftlichen Schaden eines Ausstands "billigend in Kauf zu nehmen".
Meinungsverschiedenheiten unter den Kommunen
Unter den Kommunen gibt es derweil offenbar weiterhin Meinungsunterschiede über ein neues mögliches Arbeitgeberangebot. Während ihr Verhandlungsführer, der Bürgermeister des rheinland-pfälzischen Wörth, Harald Seiter, ebenso wie der Offenbacher Oberbürgermeister Gerhard Grandke Zustimmung signalisierten, lehnte es der Potsdamer OB Jann Jakobs entschieden ab.
"ver.di kümmert sich nicht um das Gemeinwohl"
Altbundeskanzler Helmut Schmidt warf der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vor, sie vertrete "allein die Interessen ihrer im aktiven Dienst befindlichen Mitglieder". "Die Arbeitslosigkeit dagegen liegt nicht in ihrem Blickfeld. Und auch nicht das Gemeinwohl", schrieb Schmidt in einem Leitartikel für die "Zeit".
"Das Schlimmste, das passieren kann"
„Ein Streik führt automatisch zu einer Nullrunde“, sagte Bundesinnenminister Schily am Mittwochmorgen im ZDF-„Morgenmagazin“. Falls die Gewerkschaften ihre Drohung wahrmachten, dann werde das Arbeitgeberangebot, das sich in der Schlichtung „immerhin verdoppelt hat“, vom Tisch sein. Ein Streik wäre „das Schlimmste, was uns jetzt passieren könnte“. Die Arbeitgeber würden „bis zur letzten Minute“ darauf hinarbeiten, einen Streik zu vermeiden.
Gewerkschaft kontert
Ver.di-Vorstandsmitglied Martin erklärte in derselben Sendung, die Arbeitgeber hätten offenbar noch gar nicht verstanden, wie weit ihnen die Gewerkschaft mit der Annahme des Schlichterspruches bereits entgegen gekommen sei. Die Kompensationen, die die Arbeitgeber in Form von mehr Arbeit verlangten, lägen bereits bei netto einem Prozent.
Arbeitgeber wollen wohl Kompensation
Kommunen-Verhandlungsführer Seiter erklärte am Dienstagabend im ZDF-„heute-journal“, das neue Angebot gebe noch einen „Zipfel Hoffnung“. Der Potsdamer OB Jakobs sagte dagegen im ORB/SFB-radio eins, das Angebot der Arbeitgeber sei „schlichtweg nicht verkraftbar“. Jakobs schloss auch einen Austritt aus dem Arbeitgeberverband nach dem Vorbild Berlins nicht aus.
Berlin in der Kritik
OB-Kollege Seiter kritisierte das Vorgehen Berlins als Schritt in die falsche Richtung. Schily wollte den Ausstieg nicht kommentieren, warnte aber vor einer ungeordneten Situation. Ver.di-Vorstandsmitglied Martin sprach von einem „Tollstück“.
Nachdem die Arbeitgeber den Schlichterspruch abgelehnt hatten, wollen die Tarifparteien in Potsdam noch einen Einigungsversuch unternehmen. Offenbar sind die Arbeitgeber bereit, eine Erhöhung der Löhne und Gehälter von drei Prozent zu akzeptieren, wenn sie an anderen Stellen stärker entlastet werden. Nach Medieninformationen verlangen sie eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit um mindestens eine halbe Stunde und eine Laufzeit für den neuen Tarifvertrag von 20 bis 24 Monaten. Nach dem von ver.di akzeptierten Schlichtungsvorschlag hätte der Tarifvertrag eine Laufzeit von 18 Monaten haben sollen, eine Verlängerung der Arbeitszeit war darin nicht vorgesehen.