Telekom Nichts zu tun

Telekom, Post und Bahn haben noch immer Zehntausende Beamte an Bord. Mit vielen Tricks wollen sie die Unkündbaren loswerden .

Es gibt Momente, da träumt Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke, 44, davon, den Konzern ganz neu aufbauen zu dürfen - "auf der grünen Wiese", nennt er das. Ohne das lästige Erbe der Bundespost-Ära mit all ihren Beamten und der Regulierung der Telefonpreise. Auf Rickes Fantasiewiese, das ist sein Clou, kommt die Telekom mit einem Bruchteil der Beschäftigten aus.

Seit vergangener Woche ist klar, wie Ricke den Traum Schritt für Schritt wahr machen will. 32 000 der weltweit 244 000 Beschäftigten sollen das Unternehmen in den kommenden drei Jahren verlassen - die Stellenkürzungen betreffen nur Deutschland. Die Gewerkschaft Verdi, sonst auf Konsens mit der Telekom-Spitze bedacht, läuft Sturm gegen den "Kahlschlag" - zumal das Unternehmen Milliardengewinne erwirtschaftet.

Doch ein Ende des Jobabbaus ist nicht in Sicht. Experten gehen vom Wegfall weiterer Arbeitsplätze im großen Stil aus. Die Telekom steht damit nicht allein. Auch bei dem anderen großen Ex-Staatsbetrieb, der aus der alten Bundespost hervorgegangen ist - der Deutschen Post -, drohen Tausende Arbeitsplätze zu verschwinden, wenn Ende 2007 das Briefmonopol endgültig abgeschafft wird.

Post und Telekom - die beiden einzigen Dax-Konzerne, bei denen jeweils Zehntausende Beamte arbeiten - haben in den vergangenen zehn Jahren im Inland mehr als 270.000 Stellen gestrichen. Nur im Ausland stiegen ihre Beschäftigtenzahlen noch. In der Heimat herrscht Flaute. Und bei der Bundesbahn, die noch vollständig dem Staat gehört, aber an die Börse drängt, gingen seit 1994 mehr als 100.000 Arbeitsplätze verloren.

Damit nicht genug. Um den Jobabbau fortsetzen zu können und auch um die Belegschaft zu verjüngen, suchen alle drei Unternehmen mehr oder weniger aggressiv nach Wegen, wie sie vor allem die unkündbaren Beamten loswerden. Immer weniger Verständnis zeigen die Unternehmen für die Schutzrechte ihrer aus Monopolzeiten übernommenen Konzern-Staatsdiener. Erstmals seit 1999, der letzten Frühpensionierungswelle, stehen auch Beamte wieder auf den Streichlisten.

Besonderen Druck

macht dabei die Telekom. Seit langem predigt Firmenchef Ricke sein Mantra vom Personalüberhang: Zu viele Leute schaffen zu wenig Umsatz. Der Grund hierfür aus seiner Sicht: Aus Bundespost-Zeiten habe der Konzern zu viele Beschäftigte übernehmen müssen, die heute nicht genug Leistung brächten. Zehntausende Beamte, die der Bund dem Unternehmen bei der Privatisierung vor zehn Jahren mit auf den Weg gab, behinderten nun die Flexibilität - die ist auf dem heiß umkämpften Kommunikationsmarkt wichtiger denn je. Hinzu kommt: Nur bei Angestellten zu kappen und die Beamten im Hause zu verschonen, sei intern nicht vermittelbar, sagt Personalvorstand Heinz Klinkhammer, "das zerreißt uns die Telekom".

Bleibt die Frage: Wie lassen sich Beamte aus dem Unternehmen drängen? Bislang hat Ricke es mit internen Versetzungen probiert. Rund 11.000 Beamte mussten in die hauseigene Auffanggesellschaft Vivento (interner Spottname: "Wie wenn tot") umsiedeln. Wer Glück hatte, durfte bei der Lkw-Maut oder bei der Einführung des Arbeitslosengeldes II aushelfen. Viele haben aber überhaupt nichts mehr zu tun - bei vollen Bezügen. Doch diese Lösung macht Ricke zunehmend Probleme. Viele Beamte klagen gegen das Dasein auf dem Abstellgleis und bekommen von den Gerichten Recht. "Beamte, auch die in privatisierten Firmen, dürfen nicht unter Niveau beschäftigt werden", sagt der Bonner Anwalt Dirk Lenders, der eine Reihe Betroffener vertritt.

Nun setzt Ricke darauf, dass Telekom-Mitarbeiter sich massenhaft zu Frühpensionären machen lassen. Bis zu 20.000 der gut 55.000 Beamten, die derzeit noch bei der Telekom-Festnetzsparte T-Com und in der Zentrale beschäftigt sind, sollen bis 2010 in den Vorruhestand geschickt werden. Das Problem hierbei: Frühpensionierungen von Beamten sind nur per Gesetz möglich.

Diskret hatte das Telekom-Management daher in der Vergangenheit bei Innenminister Otto Schily für eine entsprechende Regelung geworben. Nun ist die neue Regierung gefragt. Doch für die große Koalition ist das gefährliches Terrain: Dicke Vorruhestandspolster für Staatsdiener sind kaum vermittelbar, wenn gleichzeitig den Bürgern neue Opfer abverlangt werden und die Rente erst ab 67 im Raume steht.

Auch finanziell könnte eine Lex Telekom zu einem schlechten Geschäft für den Bund werden, zumal ein solches Gesetz wohl ebenfalls auf die rund 62.000 Staatsdiener bei der Post Anwendung finden müsste. Die Ruheständler von Telekom und Post werden aus einer speziellen staatlichen Pensionskasse bezahlt. Bis 2090 fallen hier Kosten von sagenhaften 630 Milliarden Euro an. Nur den kleineren Teil davon decken die Bundespost-Nachfolger, den großen Rest muss der Bund tragen.

Das Problem für den Steuerzahler:

Scheiden Staatsdiener vorzeitig aus dem Brief- und Telefondienst aus, sind die Firmen für diese Mitarbeiter nicht nur die Lohnverpflichtungen los, sondern auch die Zahlungen an die Pensionskasse. Die Lücke, die so entsteht, muss der Steuerzahler ausgleichen. Diesen Mechanismus haben beide Konzerne in der Vergangenheit zu nutzen gewusst: Zeitweise wurden auffällig viele Beamte wegen zweifelhafter Gesundheitsprobleme wie "Grübelzwang" in den Vorruhestand geschickt.

Um dem Bund die Frühpensionierung dennoch schmackhaft zu machen, hat die Telekom nun 3,3 Milliarden Euro für Abfindungen und Vorruhestandsregelungen zurückgelegt. Ausstiegsbereiten Beamten will der Konzern 70 Prozent des letzten Lohnes als Pensionsbezüge bis zum Erreichen des regulären Rentenalters bezahlen. Zudem will die Telekom eine Abschlagszahlung in die staatliche Postpensionskasse leisten.

Der Bund hat bei den privatisierten Unternehmen unterschiedliche Interessen, die miteinander nur schwer in Einklang zu bringen sind. Als Großaktionär bei Post und Telekom ist er an steigenden Börsenkursen und Dividenden interessiert. Als Ex-Arbeitgeber drängt er auf Beschäftigungssicherheit. Als oberster Regulierer des Wettbewerbs zielt er auf Auflösung der Monopole und stärkeren Wettbewerb. So machte Finanzminister Hans Eichel mit der Deutschen Telekom über Aktienverkäufe zu Rekordpreisen kräftig Kasse. Gleichzeitig sorgte die jüngst in Bundesnetzagentur umgetaufte Regulierungsbehörde für einen Preiskampf bei Telefongesprächen, der das Festnetzgeschäft der Telekom immer weiter schrumpfen ließ.

Die Telekom-Spitze nutzt die ambivalente Rolle ihres Großaktionärs unverhohlen aus: So macht Konzernchef Ricke das Maß des Jobabbaus vom Grad der Regulierung abhängig, verknüpft den Stellenschwund bei Angestellten mit einem Entgegenkommen bei der Beamtenfrage. Konkurrenten halten das für glatte Erpressung.

Vor kurzem waren in Sachen Telekom-Beamte die Juristen gefragt. Der Konzern ließ prüfen, ob es möglich sei, Staatsdiener in Unternehmen verschärften Bedingungen zu unterwerfen oder sie gar an den Bund zurückzureichen. Die Hausjuristen bewerteten das zwar positiv, doch ein externes Rechtsgutachten fiel ernüchternd aus für die Telekom: Eine Art Bundeshaftung für die privatisierten Beamten sei zwar bei "Gefährdung der Marktexistenz" des Unternehmens nicht ausgeschlossen, heißt es. "Die ist allerdings derzeit nicht in Sicht." Im Gegenteil profitiere der Telefonriese in verschiedenen Bereichen weiterhin von Monopolstellungen.

Das Fazit liest sich wie eine Ohrfeige fürs Management: "Allein die Tatsache, dass die Konzernbilanz noch positiver wäre, wenn Personalkosten entfielen, reicht fraglos nicht aus."

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Johannes Röhrig