TEXTIL Reich der Mitte investiert ins Dach Afrikas

Fluch oder Segen? China und Taiwan entdecken Lesotho als »Hintertür« für US-Exporte. Möglich macht dies eine Textilquote für zwälf afrikanische Staaten.

In der riesigen Halle am Rande von Maseru surrt und schnurrt es wie in einem Bienenkorb. Hunderte Frauen sitzen dicht an dicht in langen Reihen hinter ratternden Nähmaschinen und produzieren Jeans und Sportbekleidung. »Wir exportieren vor allem in die USA jährlich eine Million Jeans«, sagt Adrian Chang. Der Manager der taiwanesischen CGM-Textilgruppe gehört zu den Unternehmern, die dem von Südafrika umschlossenen Gebirgs-Königreich Lesotho seit Jahren einen regelrechten Investitionsboom bescheren.

Boom der Textilindustrie

Das »Dach Afrikas«, das zur Apartheidzeit als Frontstaat galt und von den Überweisungen seiner Wanderarbeiter in Südafrikas Bergwerken existierte, macht heute in Textil. Genau genommen in Jeans. Auf knapp 25 Millionen Stück wird die Produktion des kleinen Landes mit seiner 3.500 Meter hohen Bergwelt geschätzt. »1999 hatten wir 19.000 Beschäftigte in der Textilwirtschaft, heute sind es mit über 40.000 mehr als doppelt so viele«, sagt Industrieminister Mpho Malie.

Taiwan größter Investor

Die Tendenz ist steigend. Gerade entsteht in Lesotho die größte Jeansstoff-Spinnerei südlich der Sahara, ein Investitionsprojekt mit einem Finanzvolumen von 100 Million Dollar. Weitere Projekte sind angemeldet - die Nachfrage nach Industrieflächen ist groß. »Taiwan ist bei weitem der größte Investor«, sagt Malie. Aber auch die Volksrepublik China investiert stark in Lesotho. Anlass dafür sind nur teils die geringen Löhne in der arbeitsintensiven Branche. Es ist vielmehr das Zauberwort AGOA. Es steht für »Africa Growth and Opportunity Act« und ist eine amerikanische Afrika-Initiative, mit der wirtschaftliches Wachstum angestoßen werden soll.

Schwellenwert für US-Import

In einem Land wie Lesotho, in dem 45 Prozent der aktiven Bevölkerung ohne Arbeit ist, hat es seit 1999 einen regelrechten Expansionsschub ausgelöst. Denn AGOA erlaubt zwölf afrikanischen Staaten, über einen Zeitraum von acht Jahren Textilien abgabenfrei in den US-Markt zu exportieren. Der ursprünglich festgesetzte Schwellenwert von 1,5 Prozent des US-Textilmarktes wurde mittlerweile auf drei Prozent erhöht. Dabei taten sich die afrikanischen Staaten zusammen genommen schon beim ursprünglichen Schwellenwert von 1,5 Prozent schwer. »Im ersten Jahr erreichten sie gerade mal 17 Prozent, im zweiten dann schon 50 Prozent«, sagt Minister Malie.

Was passiert nach AGOA

Gewerkschaftsvorwürfe, dass die Arbeiter in den Textilfabriken Sklavenarbeit verrichteten, tut er als unfair und unbegründet ab. Malie: »Ein Gremium aus Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Regierung entscheidet über die Mindestlöhne. Außerdem haben US-Inspektoren jederzeit Zugang, um Arbeits- und Umweltauflagen zu prüfen«. Ein wenig Unbehangen bereitet ihm jedoch der Gedanke an die Zeit, wenn AGOA in sechs Jahren ausläuft. Immerhin gehen 90 Prozent der Exporte in die USA. Malie träumt daher von einem Freihandelsabkommen mit den USA, in das alle Länder der Zollunion im Südlichen Afrika eingebunden wären. Und davon, dass DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp sein Land als Investitionsstandort entdeckt: »Und sei's nur für die Autobezüge«.

Ralf E. Krüger