Wer derzeit im Supermarkt vor dem Regal mit Toilettenpapier steht, könnte einen Flashback ins Frühjahr 2020 haben. Wie in der ersten Corona-Welle klaffen vielerorts wieder augenscheinliche Lücken, teilweise ist Klopapier ausverkauft. Ist es etwa wieder soweit? Sorgt Omikron für die nächste Welle an Hamsterkäufen?
Tatsächlich sind es diesmal nicht die Verbraucher, die mit irren Vorratskäufen für leergefegte Regale sorgen. Stattdessen haben die Hersteller selbst Probleme, die Ware in den gewohnten Mengen und zum gewohnt niedrigen Preis zu produzieren. Denn hohe Rohstoff- und Energiepreise haben die Branche in eine massive Krise gestürzt. Es kommt zu Lieferengpässen und Preis-Streitigkeiten mit den Handelsketten. Manche Hersteller fürchten sogar um ihre Existenz, berichtet die Lebensmittelzeitung.
Klar ist: Wer Toilettenpapierhersteller im Geiste immer noch als "Gewinner der Pandemie" abgespeichert hat, muss dieses Bild längst gründlich revidieren. Zum einen bedeuteten die Hamsterkäufe vor zwei Jahren keinen nachhaltigen Boom, weil die Kunden in der Folge eben weniger Nachschub kaufen mussten. Zum anderen haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Hersteller seitdem massiv verschlechtert.
Rohstoffe sind knapp und teuer
Einer der Hauptgründe: Zellstoff, der zentrale Rohstoff für die Produktion von Hygienepapier ist seit Monaten knapp und teuer. Denn mit dem Wiederanspringen der Weltwirtschaft ist auch die Nachfrage nach Papier generell stark gestiegen. So notierte das Statistische Bundesamt im November, dass der Einfuhrpreis für Zellstoff innerhalb eines Jahres um 45,7 Prozent gestiegen sei und der für Altpapier um 75 Prozent. Der Großhandelspreis für gemischtes Altpapier hat sich binnen eines Jahres sogar verdreifacht.
Außerdem leidet die energieintensive Papierbranche massiv unter den explodierenden Energiepreisen sowie den allgemein höheren Kosten in der Logistik. Und zu allem Überfluss streikten im Januar auch noch die Mitarbeiter in den Papier- und Zellstoffwerken des finnischen Zulieferers UPM.
Viele Hersteller haben bereits im vergangenen Jahr die Preise erhöht, doch das reicht offenbar nicht. Das zeigen etwa die Zahlen von Marktführer Essity, der unter anderem Zewa-Toilettenpapier und Tempo-Taschentücher herstellt: Der Umsatz des schwedischen Branchenriesen ist im vierten Quartal 2021 gegenüber Vorjahr zwar um elf Prozent gestiegen, der Gewinn aber um 34 Prozent eingebrochen. Preiserhöhungen in allen Produktkategorien und Märkten seien daher unverzichtbar, kündigte Essity-Chef Magnus Groth an. Denn: "Wir erwarten in naher Zukunft keinen Rückgang der historisch hohen Kosten für Rohstoffe, Energie und Vertrieb."
Preiszoff mit dem Einzelhandel
Das Problem an der Sache: Die preisbewussten Einzelhändler haben wenig Lust, noch mehr für den Einkauf des Toilettenpapiers zu zahlen. Bereits Ende des Jahres hätten die Händler Preiserhöhungen von bis zu 20 Prozent akzeptiert, berichtet die Lebensmittelzeitung. Nun liegen sie mit den Herstellern quer durch die Branche im Clinch über die Konditionen der weiteren Belieferung. Bei Rewe fehlen aktuell deutschlandweit Artikel des Markenherstellers Hakle. Zewa-Hersteller Essity konnte sich nicht mit Edeka über eine Belieferung einigen. Und auch bei Lidl und Netto tun sich zeitweise Lücken auf.
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Ohne Preiserhöhungen aber können manche Toilettenpapierhersteller das Geschäft derzeit nicht wirtschaftlich betreiben. Der Ausstoß der Hersteller ist laut Lebensmittelzeitung im Dezember und Januar bereits deutlich niedriger ausgefallen als geplant. Insolvenzen kleinerer Hersteller oder eine Konsolidierung des Marktes würden immer wahrscheinlicher.
Der Verband der deutschen Zellstoff- und Papierindustrie gibt an, dass 80 Prozent seiner Mitglieder derzeit stark von den Energiepreissteigerungen betroffen sind. Jedes zweite Unternehmen erwartet, die Preissteigerungen am Markt nicht weitergeben zu können. Wirtschaftliche Planungssicherheit sei damit für die Unternehmen nicht mehr gegeben.
Quellen: Lebensmittelzeitung / Essity / Destatis / Papierindustrie