Leergefegte Nudel-Regale, verbissene Kämpfe um die letzten Rollen Klopapier – in den Supermärkten herrschte in den vergangenen Tagen Ausnahmezustand. Wegen der dramatischen Ausbreitung der Corona-Epidemie kauften die Deutschen als gäbe es kein Morgen. Die Grenzen zwischen rationaler Vorratshaltung und maßlosen Panikkäufen wurden dabei teilweise deutlich überschritten.
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Eine Auswertung der Absatzzahlen des Lebensmitteleinzelhandels durch das Marktforschungsunternehmen Nielsen zeigt nun das ganze Ausmaß der Hamsterkäufe. Von einigen Produkten wurde zeitweise doppelt, dreifach oder sogar mehr als vier Mal so viel verkauft wie üblich. Wären manche Waren nicht irgendwann ausverkauft gewesen, lägen die Zahlen wohl noch höher.
Desinfektionsmittel toppen alles
Am dramatischsten ist der Anstieg der Verkaufszahlen bei Desinfektionsprodukten. In Kalenderwoche (KW) 9 (24. Februar bis 1. März) wurden laut Auswertung 467 Prozent mehr abgesetzt als im Vorjahr. In der folgenden KW10 (2. bis 8. März) waren es 367 Prozent mehr. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor, aber derzeit sind Desinfektionsmittel im Handel kaum mehr zu bekommen.
Auch bei anderen Produktgruppen vervielfachte sich der Absatz ab Ende Februar. Der Verkauf von Brotmischungen stieg in KW9 um fast 400 Prozent an. Auch Mehl, Teigwaren und Reis zählen mit Zuwächsen von mehr als 100 Prozent zu den Top-Hamsterprodukten. Es folgen Handcreme, Toilettenpapier, Zucker, Fertiggerichte und Suppen. Gekauft wurden laut Nielsen gleichermaßen Markenprodukte wie Eigenmarken - ein Zeichen dafür, dass die Verbraucher nahmen, was sie kriegen konnten.
Top-Hamsterprodukte: Prozentuale Veränderung des Absatzes gegenüber Vorjahr
Warengruppe | KW8 | KW9 | KW10 |
Desinfektionsprodukte | +50,6% | +466,8% | +366,5% |
Brotmischungen | +8,4% | +392,3% | +176,2% |
Mehl | +6,8% | +148,8% | +120,7% |
Teigwaren | -0,8% | +108,4% | +93,6% |
Reis | +5,5% | +164,6% | +84,6% |
Handcreme | -3,7% | +24,2% | +77,9% |
Toilettenpapier | -6,4% | +46,3% | +76,1% |
Zucker | 0,0% | +104,6% | +67,1% |
Nass-Fertiggerichte | +15,1% | +104,5% | +67,0% |
Nasssuppen | +4,7% | +99,2% | +51,2% |
Trockensuppen | -10,2% | +84,5% | +49,9% |
Würstchenkonserven | +13,4% | +45,6% | +35,4% |
Zahncreme | -4,9% | +13,9% | +32,0% |
… | |||
Soft Drinks | -2,2% | -4,8% | -3,3% |
Bier/Biermix | +7,3% | -9,5% | -4,8% |
Zigaretten | -7,0% | -9,9% | -6,3% |
Quelle: Nielsen; Deutscher Lebensmitteleinzelhandel inkl. dm (außer Bier) und Getränkeabholmärkte (nur Wasser/Bier/Soft Drinks), ohne Aldi, Lidl, Norma
Weniger Bier und Zigaretten
Was zudem auffällt: Von KW9 auf KW10 gehen die Verkäufe für die meisten essbaren Waren wieder etwas zurück, da viele sich wohl ausreichend eingedeckt haben. Der Absatz der Hygieneprodukte Handcreme, Toilettenpapier und Zahnpasta nimmt dagegen weiter zu.
Für einige ungesunde Dinge geben die Deutschen dagegen derzeit sogar weniger Geld aus. Der Absatz von Zigaretten, Bier und Softdrinks liegt aktuell unter dem Niveau des Vorjahres. Berücksichtigt sind die Verkaufszahlen des Lebensmitteleinzelhandels inklusive Drogeriemarktkette dm, aber ohne Aldi, Lidl und Norma.
Geht das Hamstern weiter?
Wie geht es nun weiter? Die Nielsen-Experten gehen nicht davon aus, dass der Run auf die Supermärkte weiter so groß bleiben wird. "In vielen Fällen stellen die aktuellen Einkäufe wohl vorgezogene Einkäufe dar", schreiben sie in der Analyse. "Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Notvorräte in den kommenden Wochen aufgebraucht werden und als Konsequenz zunächst mit einem Rückgang der Nachfrage gerechnet werden muss."
Für die nächste Phase der Viruskrise erwarten die Experten eine Verlagerung des Konsums hin zum Onlineshopping. Das legten die Entwicklungen in Ländern nahe, die bereits früher von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen gewesen seien. Je mehr Menschen, Städte oder Regionen unter Quarantäne gesetzt würden, desto stärker sinke die Einkaufsfrequenz, während Bestellungen in Onlineshops zunähmen, so die Nielsen-Forscher.
Quelle: Nielsen