Unerwartet positiver Arbeitsmarkt Ökonomen feiern deutsches Job-Wunder

Ein überraschend starker Rückgang der Arbeitslosenzahlen hat teils euphorische Reaktionen hervorgerufen. Arbeitsmarkt-Experten scheuten sich nicht, Vokabeln wie "Wunder" und "Sensation" zu benutzen.

Die konjunkturelle Erholung in Deutschland schlägt überraschend stark am Arbeitsmarkt durch. Im April registrierte die Bundesagentur für Arbeit (BA) nur noch 3,406 Millionen Arbeitslose und damit 162.000 weniger als im März. Dies teilte die Behörde am Donnerstag in Nürnberg mit. Zuvor befragte Analysten der deutschen Großbanken hatten lediglich einen Rückgang um 78.000 erwartet. Die Arbeitslosenquote ging von 8,5 auf 8,1 Prozent zurück. Damit wurden 178.000 Erwerbslose weniger gezählt als ein Jahr zuvor und so wenige wie seit Dezember 2009 nicht mehr. Bei Arbeitsmarkt-Experten lösten die Zahlen teils euphorische Reaktionen aus.

"Auf dem Arbeitsmarkt hat es im April einen unerwartet kräftigen Frühjahrsaufschwung gegeben", sagte BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise während der offiziellen Vorstellung der Zahlen. Insgesamt seien die Auswirkungen der Krise weiter moderat - vor allem, weil Kurzarbeit und andere betriebliche Vereinbarungen den Arbeitsmarkt entlastet hätten. "Die Arbeitskräfte-Nachfrage hat deutlich zugelegt." Impulse kämen vor allem aus der Gastronomie, dem Einzelhandel und Gesundheitsberufen. "Der Arbeitsmarkt hat sich abgekoppelt von der unsicheren Wirtschaftslage", stellte Weise fest.

"Fast eine sensationelle Entwicklung"

Auch Ökonomen sehen das so. "Das deutsche Job-Wunder setzt sich fort", frohlockte Postbank-Experte Heinrich Bayer. "Und das nach diesem massiven Wirtschaftseinbruch. Das ist fast eine sensationelle Entwicklung." Er erwartet, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzt. "Damit stehen die Chancen gut, dass wir in diesem Jahr im Schnitt weniger Arbeitslose haben werden als im Krisenjahr 2009", sagte der Experte von HSBC Trinkaus, Lothar Hessler.

BA-Chef Weise warnte aber auch vor zu optimistischen Erwartungen. Die wirtschaftliche Lage bleibe unsicher - viele Staaten kämpften mit sehr hohen Verschuldungen und auch die Banken seien noch nicht über den Berg. Bereinigt um jahreszeitliche Schwankungen ging die Zahl der Arbeitslosen um 68.000 zurück. Auch in diesem Punkt waren die Analysten deutlich pessimistischer und waren von einem Rückgang von rund 10.000 ausgegangen.

Einstellungswelle bleibt wohl aus

Die Wirtschaft ist primär wegen besser laufender Exporte wieder angesprungen. Die Industrie erhält vor allem aus den schnell wachsenden Schwellenländern wie China immer mehr Aufträge: Im ersten Quartal 2010 steigerten zum Beispiel Audi, BMW und Daimler ihre Verkaufszahlen in der Volksrepublik auf Rekordniveaus. Dabei hilft der schwächelnde Euro, der deutsche Waren dort billiger macht.

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist inzwischen so gut wie seit zwei Jahren nicht mehr, fand das Ifo-Institut in seiner monatlichen Umfrage unter 7000 Firmenchefs heraus. Die Bundesregierung geht deshalb nun davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem und im nächsten Jahr jeweils bei 3,4 Millionen liegen wird - im Herbst vergangenen Jahres hatten die Ökonomen sowie die Bundesagentur krisenbedingt eine Zunahme von rund 700.000 prognostiziert.

Obwohl die Nachfrage nach Arbeitskräften anzieht, bleibt nach Einschätzung der Nürnberger Behörde abzuwarten, ob die Unternehmen bei zunehmender wirtschaftlicher Erholung weitere Menschen einstellten. In der Krise hatten viele Firmen versucht, ihre Mitarbeiter durch den Abbau von Arbeitszeitguthaben und mit Hilfe von Kurzarbeit zu halten. "Der Neueinstellungsbedarf könnte sich daher moderater entwickeln als im letzten Aufschwung", gibt die BA zu bedenken.

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DPA · Reuters
Reuters/DPA/dho