VW-Aktien Porsche zockt mit seinem Image

Von O. Wihofszki, C. Kirchner und K. Spiller
Porsche gilt längst als Investmentbank mit angeschlossener Autoproduktion - und wird für seine Finanzgeschäfte bewundert. Doch die jüngsten Börsen-Turbulenzen bringen den guten Ruf der Schwaben in Gefahr. Für die hohen Gewinne, die Porsche mit der Beteiligung an VW einfährt, zahlen andere die Zeche.

Um 9 Uhr, 39 Minuten und eine Sekunde ist es so weit. Die Volkswagen-Aktie durchbricht die Marke von 1000 Euro. Der Handelssaal der Deutschen Bank in der Gallusstraße in Frankfurt ist normalerweise kein Ort für Emotionen. Doch als VW die magische Hürde überspringt, stehen Händler auf, applaudieren und johlen. Der Autobauer ist in diesem Moment 294 Milliarden Euro wert. Der spontane Beifall gilt vor allem einem Mann: Holger Härter. Der Porsche-Finanzchef hat fast im Alleingang für den irrwitzigen Kursanstieg der VW-Aktie gesorgt. Durch komplizierte Finanzgeschäfte hat er die Machtübernahme Porsches bei VW eingefädelt, die seither Unsummen in die Kassen des Sportwagenherstellers spült.

Seit die Zuffenhausener vor drei Jahren begonnen haben, sich in großem Stil bei Europas größtem Automobilkonzern einzukaufen, sorgen sie für einigen Wirbel in der Finanzwelt. Doch was sich Anfang dieser Woche ereignete, ist bislang beispiellos in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Hedge-Fonds und Investmentbanker wurden regelrecht ausgetrickst. Der Kurs der VW-Aktie hat sich binnen 24 Stunden vervierfacht. Und so hat sich Porsche mitten in der Finanzkrise zur gut funktionierenden Investmentbank mit angeschlossener Sportwagenproduktion gewandelt.

Was sind Leerverkäufe?

Leerverkäufe sind Geschäfte, bei denen ein Spekulant auf einen sinkenden Kurs setzt und sich dafür gegen eine Gebühr Aktien ausleiht und verkauft. Fällt die Aktie wie erwartet, kann er sie später zu einem günstigeren Kurs einkaufen und zurückgeben. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis ist sein Gewinn. Steigt jedoch der Kurs - wie im Fall VW - bekommt der sogenannte Shortseller Probleme. Er muss sich auch zu höheren Preisen mit Aktien eindecken, um seinen Lieferverpflichtungen nachzukommen - und treibt damit den Kurs weiter in die Höhe. Shortseller werden für die Zuspitzung der Finanzmarktkrise mitverantwortlich gemacht.

Härter ist das Superhirn hinter dem VW-Einstieg, den er gemeinsam mit Konzernchef Wendelin Wiedeking für den milliardenschweren Porsche-Clan durchzieht. "Ich habe den höchsten Respekt vor dem, was Porsche da erreicht hat. Es ist eine außergewöhnliche Leistung", sagt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Wenn es einen deutlichen Gewinner gebe, sei jedoch klar, dass es auch Verlierer geben werde, so der Analyst.

Porsches guter Ruf steht auf dem Spiel

Und so freuen sich längst nicht alle über den Erfolg. Für die hohen Gewinne, die Porsche mit den Aktiengeschäften rund um die VW-Beteiligung einfährt, zahlen andere die Zeche. Das sorgt für harsche Kritik von Aktionärsschützern und Investmentbankern. "Wenn es jemals ein Beispiel für Marktmanipulation braucht - hier ist es. Porsches Aufstockung bei VW ist im besten Fall obskur", schimpft beispielsweise Piers Hillier, Chef von WestLB Mellon Asset Management in London. Solche Vorwürfe sind für Wiedeking und Härter ein ernstes Problem. Porsches guter Ruf als solides Familienunternehmen steht auf dem Spiel. Das Unternehmen und mit ihm die beiden Topmanager könnten zum Sinnbild des "Turbokapitalisten" werden, der in Zeiten der weltweiten Finanzkrise mit Aktientricksereien noch Geld scheffelt.

Bisher haben sich die beiden wenig um Konventionen gekümmert. Mal weigerten sie sich, Quartalszahlen vorzulegen, und provozierten damit den Ausschluss des Unternehmens aus dem prestigeträchtigen MDax. Mal wurde Wiedeking zum bestbezahlten Konzernchef in Deutschland erhoben - mit einem Jahresgehalt von 60 Millionen Euro. Kritik perlte am Management ab. Doch diesmal wehrt sich Porsche energisch: "Wir weisen den Vorwurf der Kursmanipulation entschieden zurück", sagt ein Sprecher. "Hier werden Ursache und Wirkung miteinander verwechselt. Verursacher sind diejenigen, die versucht haben, mit riesigen Wetten auf einen fallenden VW-Aktienkurs zu setzen."

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Das verknappte Angebot treibt den Preis in aberwitzige Höhen

Grund für den Unmut vieler Banker ist Porsches Meldung vom Sonntag. Da überraschte das Unternehmen die Profispekulanten mit der Botschaft, dass man bereits Zugriff auf 74,1 Prozent der VW-Aktien habe. Seitdem müssen vor allem Hedge-Fonds Volkswagen-Papiere um jeden Preis kaufen, um ihre Wetten auf sinkende Kurse einzulösen. Spekulanten soll das bis jetzt einen geschätzten Verlust von bis zu 30 Milliarden Euro gebracht haben. Denn das verknappte Angebot treibt den Preis für VW-Aktien in aberwitzige Höhen, die völlig abgekoppelt von der wirtschaftlichen Realität bei dem Wolfsburger Konzern sind.

Härter dürfte der ganze Trubel um VW an der Börse höchst unangenehm sein. Der 52-Jährige wirkt lieber im Hintergrund. Für die wuchtigen Auftritte in der Öffentlichkeit ist sein Chef Wiedeking verantwortlich. Der beherrschte Finanzexperte Härter und der unterhaltsame Medienprofi Wiedeking gelten als eingespieltes Team. "Uns gibt es nur im Doppelpack", sagt Härter. Die Wertschätzung ist gegenseitig: "Der bräuchte gar kein Blech, um Geld zu verdienen", lobt Wiedeking immer wieder öffentlich Härters Fähigkeit, mit reinen Finanzgeschäften und nicht mit Autos Geld für den Konzern zu scheffeln.

Geld wird "risikofrei gut verzinslich" angelegt

Das Talent zum Spekulationsprofi bildet Härter schon früh aus. 1996 holt ihn Wiedeking vom Bietigheimer Bodenbelagshersteller DLW zu Porsche. Schon wenig später schafft es der Neuling mit Währungsgeschäften zur Dollar-Absicherung, dem sogenannten Hedging, kräftig Geld zu verdienen. Das gelingt ihm sogar, wenn andere Autohersteller jammern, dass ein schwacher Dollar ihre Gewinne in den USA schmälert.

Zu Jahresbeginn führt Härter dann die eigenen Hausbanken vor. Er beschafft sich eine Kreditlinie über 35 Milliarden Euro, um ein Übernahmeangebot abzusichern, das Porsche sämtlichen VW-Aktionären unterbreiten muss. Als die Aktionäre, wie von Porsche beabsichtigt, darauf kaum eingehen, nimmt der Autobauer trotzdem einen Kredit über 10 Milliarden Euro auf - zu überaus günstigen Konditionen. Das Geld wird laut Konzern "risikofrei gut verzinslich" angelegt. Geschätzte 20 bis 30 Millionen Euro Gewinn bringt das seither jährlich.

Ein glänzendes Geschäft

Doch Härters Meisterstück sind die sogenannten Cash-gesettelten Optionen, mit denen er den Einstieg bei Volkswagen organisiert. Mit den Optionsgeschäften sichert sich Porsche VW-Aktien zu einem bestimmten Einkaufspreis bei Banken. Steigt der Kurs, müssen die Banken die Differenz an Porsche auszahlen - ein glänzendes Geschäft. Allein im Geschäftsjahr 2006/07 verdiente Porsche mit seinen Finanzoperationen fast viermal so viel Geld wie mit dem Verkauf von Autos. Optionsgeschäfte mit VW-Aktien spülten damals 3,6 Milliarden Euro vor Steuern in die Kasse. Bei 7,6 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete das Unternehmen einen Vorsteuergewinn von fast 5,9 Milliarden Euro - mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. "Das sieht aus wie bei einem Hedge-Fonds", sagte damals Stephen Cheetham, Analyst von Sanford Bernstein.

Für das Ende Juli abgeschlossene Geschäftsjahr 2007/08 könnte dieses Urteil noch viel stärker zutreffen. Wenn Porsche Ende November die Bilanz vorlegt, erwarten Analysten wegen der VW-Optionen sogar mehr Gewinn als Umsatz. Das wäre eine neue Dimension der Rentabilität - die Porsche aber nicht mit Sportwagen, sondern mit Finanztransaktionen erzielt. Der Erfolg schmiedet das Duo Wiedeking und Härter umso stärker zusammen. Die beiden bilden nicht nur den Vorstand der Porsche-Autoholding, sondern sitzen auch gemeinsam im Aufsichtsrat von Volkswagen und im Kontrollgremium der VW-Tochtermarke Audi. Für die Familienclans der Porsches und Piëchs wachen sie in allen wichtigen Gremien des gerade entstehenden Autogiganten Porsche-VW.

Der Aufstieg winkt

Die Freunde Wiedeking und Härter sind sich über die Strategie bei Porsche einig. Rendite steht immer vor Umsatz. Es ist deshalb selbstverständlich, dass immer nur so viele Autos gebaut werden, wie auch verkauft werden können. Lieber verknappen Wiedeking und Härter das Angebot und drosseln die Produktion, bevor sie Fahrzeuge mit Rabatt und geringerer Gewinnmarge in den Markt drücken müssen. Zu Besprechungen haben es die beiden Männer nicht weit. Beide wohnen in Bietigheim, einer Stadt im Stuttgarter Speckgürtel. Dort treffen sie sich zum Boule-Spiel auf Wiedekings Grundstück oder zu einem guten Essen im Lokal Friedrich von Schiller. Wenn es gute Porsche-Zahlen zu feiern gibt, werden dann edle Rotweine getrunken und dicke Zigarren geraucht.

Wer Härter bei all dem Erfolg richtig jubeln sehen will, muss ihn allerdings zum Eishockeyspiel seiner Bietigheim Steelers begleiten. Wenn er es einrichten kann, verpasst er kein Heimspiel. Natürlich ist Porsche Hauptsponsor des Teams. Derzeit führt es die Tabelle der zweiten Eishockeyliga an. Der Aufstieg winkt. Was beim Gang in die höchste Liga zu beachten ist, können die Sportler ja dann bei ihrem treuen Fan erfragen.

FTD

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