Wertheim-Prozess Karstadt-Quelle muss Erben entschädigen

Fast 70 Jahre ist es her, dass die Nazis die jüdische Kaufmanns-Familie Wertheim enteignet haben. Bis zuletzt bestanden die Wertheim-Erben auf Entschädigung - zu Recht, wie jetzt das Berliner Verwaltungsgericht entschied.

Es ist das Ende eines jahrelangen Rechtsstreits. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied jetzt, dass der finanziell angeschlagene Karstadt-Quelle-Konzern die Erben der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim entschädigen muss. Das Gericht wies damit die Klage des Kaufhaus-Konzerns ab und sprach ein ehemaliges Wertheim-Grundstück der Jewish Claims Conference (JCC) zu, die die Nachfahren vertritt.

Mit dem Urteil besteht für die Wertheim-Erben auch Anspruch auf Entschädigung für andere in der Nazizeit enteignete Immobilien in Berlin. "Das ist ein großer Tag für unsere Familie. Es sind die Opfer, und es ist nicht das große Handelsunternehmen, die beraubt worden sind", sagte die Wertheim-Erbin Barbara Principe nach dem Urteil.

Ein Grundstück, viele Besitzer

1937 hatten die Nazis die jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim zum Verkauf ihrer überwiegend im Ostteil Berlins gelegenen Grundstücke gezwungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte dann die Sowjetunion große Teile des ehemaligen Wertheim-Grundbesitzes beschlagnahmt und der DDR-Regierung übertragen. Später wurden die ehemaligen Wertheim-Grundstücke nach dem Mauerfall dem Warenhauskonzern Hertie zugesprochen. Mit der Übernahme von Hertie durch Karstadt ging auch das Grundstück 1994 an den Handelsriesen über. Einer Wertheim-Chronik zufolge hatte Hertie gut 40 Jahre zuvor im August 1951 in einer nebulösen Aktion den Wertheim-Erben ihre Firmenanteile für ein Sechzehntel des eigentlichen Wertes abgenommen.

2001 hatte dann das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen entschieden, dass die Wertheim-Familie Anspruch auf Wiedergutmachung habe. Aufgrund dieser Entscheidung wurde der Besitz 2001 der Jewish Claims Conference (JCC) zugesprochen. Karstadt-Quelle hatte gegen die Entscheidung des Landesamtes Klage eingereicht. Der Handelsriese hatte sich selbst als Rechtsnachfolger der Wertheim-Gesellschafter betrachtet hatte.

Wertheim-Erben gelten als Rechtsnachfolger

Dass Verwaltungsgericht entschied jetzt, dass nicht der Konzern, sondern die Wertheim-Erben als Rechtsnachfolger anzusehen seien. Die Erben müssten daher für die zwei nebeneinander liegenden Grundstücke in Berlin-Mitte entschädigt werden. Der Streitwert war mit 20 Millionen Euro festgesetzt worden. Die Risiken für Karstadt-Quelle aus weiteren umstrittenen Grundstücken liegen aber deutlich darüber. Karstadt-Quelle hat in diesem Zusammenhang bislang von maximal 145 Millionen Euro gesprochen. Die Jewish Claims Conference rechnet jedoch mit erheblich höheren Summen.

"Wir hoffen, dass Karstadt sich nun endlich eines besseren besinnt und den moralischen und finanziellen Anspruch der Claims Conference und der Familie Wertheim auf diese Grundstücke anerkennt", sagte Gideon Taylor, Vizepräsident der Claims Conference. Die JCC gehe nun davon aus, dass dieses Grundsatzurteil dazu führen werde, dass das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in allen weiteren offenen Wertheim-Verfahren kurzfristig eine Entscheidung treffen könne.

Finanzielle Solidität von Karstadt-Quelle nicht gefährdet

Bei Karstadt-Quelle war zunächst keine Stellungnahme erhältlich. Am Donnerstag hatte Konzern-Sprecher Jörg Howe erklärt, dass die Entschädigung die Erben keine Gefahr für das Unternehmen berge. "Grundsätzlich haben wir ein sehr solides finanzielles Fundament. Egal wie der Prozess ausgeht, wird aus meiner Sicht die finanzielle Solidität von Karstadt-Quelle, die wir jetzt neu geschaffen haben, nicht beeinträchtigt werden", so Howe.

Der Kurs der Karstadt-Quelle-Aktie brach nach dem Urteil zeitweise um mehr als sieben Prozent ein auf knapp über acht Euro.

DPA · Reuters
DPA/Reuters