Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde hat die deutsche Wirtschaftspolitik kritisiert. Der derzeitige deutsche Handelsüberschuss könne für die Nachbarstaaten in der Euro-Zone nicht tragbar sein, sagte Lagarde der "Financial Times". Die Bundesrepublik gehört zu den Staaten mit dem weltweit größten Handelsüberschuss; das heißt, die deutsche Wirtschaft exportiert deutlich mehr Waren als sie importiert.
"Deutschland hat in den vergangenen rund zehn Jahren außerordentlich gute Arbeit geleistet, die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert und die Lohnkosten unter Druck gesetzt", betonte Lagarde. Wenn man sich die Lohnstückkosten anschaue, "dann waren die Deutschen in dieser Hinsicht ungeheuer gut". Sie sei sich aber nicht sicher, ob dies "langfristig ein nachhaltiges Modell" für die gesamte Euro-Gruppe sei. "Wir brauchen ganz deutlich eine stärkere Annäherung", so die französische Wirtschaftsministerin. Deutschland müsse die Nachfrage im eigenen Land stärken.
Die "Bild"-Zeitung berichtet, auch einige andere EU-Staaten hätten Deutschland vorgeworfen, "mit seinem exportorientierten Wirtschaftsmodell sein Wirtschaftswachstum auf Kosten anderer" Euro-Staaten zu erreichen. Die Bundesrepublik solle daher einige ihrer Wirtschaftsreformen zurückdrehen, hieß es in dem Zeitungsbericht unter Berufung auf einen "Frühwarnbericht" der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU für den Bundestag.
Lagarde bremst beim Europäischen Währungsfonds
Lagarde sagte vor einem Treffen der Euro-Gruppe am Montag zudem, die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) propagierte Idee eines Europäischen Währungsfonds habe keine Priorität für die Euro-Staaten. Die EU müsse zunächst sicherstellen, dass Griechenland seine Reformen konsequent umsetze und dann die bestehenden Regeln "mit etwas Kreativität und Innovation" nutzen, um die Haushaltsdisziplin zu verbessern.
Schäuble sieht in einem Europäischen Währungsfonds eine Möglichkeit, verschuldeten Euro-Staaten künftig einfacher zu helfen. Die Idee soll aber ausdrücklich nicht auf die derzeitige Haushaltskrise in Griechenland gemünzt sein.
Die Schuldenkrise Griechenlands hatte große wirtschaftliche Unterschiede in der Währungsgemeinschaft offen gelegt, die das internationale Vertrauen in den Euro geschwächt haben. Staaten wie Griechenland hinken in ihrer Wettbewerbsfähigkeit hinterher und leiten nun unter großem Druck Reformen am Arbeitsmarkt oder in den Sozialsystemen ein. Deutschland ist im Vergleich zu den anderen Euro-Staaten relativ gut durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen. Ein großer Teil seiner Exporte geht nach Europa.