Wochenmarkt - die Wirtschaftskolumne Deutschland nervt - mit Recht

  • von Thomas Straubhaar
Angela Merkel will sparen - und bringt vor dem EU-Gipfel mit ihrer Maxime andere Europäer gegen die Deutschen auf. Dabei sind ihre Vorschläge richtig - reichen aber nicht aus.

Den Krieg verloren, die Macht (zurück)gewonnen. So wird Deutschland von außen gesehen. Geschürt von Populisten und Nationalisten, entzündet sich in Südeuropa an dieser Optik eine anti-deutsche Rhetorik. Die Vorbehalte gegen die Bundesrepublik werden ein zentraler Punkt sein, wenn sich heute die EU-Regierungschefs treffen. Es wird nicht nur um technokratische Fragen gehen, und um die Diskussion, wie und wann Rettungsschirme verbreitert werden sollen.

Ja, Deutschland ist nicht mehr länger bereit, nur den Zahlmeister Europas zu spielen. Es will auch Zuchtmeister sein. Dafür gibt es mehr als genug gute Gründe. "Wer zahlt, befiehlt", ist das erste Gebot ökonomischer Logik. Wer Geld erhält, muss dafür Gegenleistungen erbringen. Alles andere setzt falsche Anreize. Wer für Schlendrian belohnt wird, ändert sein Verhalten nicht. Er wird auf Kosten anderer leben und wenig dafür tun, aus eigener Kraft voranzukommen. Das verärgert die Spender. Denn aus ihrer Sicht müssen sie härter arbeiten, um andere zu finanzieren, die es sich dank fremder Hilfen zu gut gehen lassen. Zu Hause den Gürtel eng und enger zu schnallen, um im fernen Ausland ein dolce far niente zu ermöglichen, ist keine Basis für eine europäische Solidargemeinschaft. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

Sparkommissar ist sinnvoll

Die deutsche Forderung nach einem EU-Sparkommissar für überschuldete Euro-Staaten ist deshalb richtig. Selbst, wenn sie die Nachbarn nervt. Um aber nicht anti-deutsche Gefühle zu provozieren und so den Reformgegnern ein willkommenes Propagandainstrument zur Mobilisierung der Massen und zur Radikalisierung des Widerstandes zu bieten, müsste ein europäischer Sparkommissar als einer von mehreren Bausteinen einer Gesamtstrategie daherkommen. Isoliert gefordert, führt er in die politische Irre. Denn auch ein Sparkommissar kann das fundamentale Problem südeuropäischer Euro-Länder nicht lösen.

Südeuropa leidet unter einer dauerhaften Wachstumsschwäche, die noch lange Zeit anhalten wird. Nun rächt sich, dass die Länder über Dekaden schlecht regiert, strukturell verkrustet und wirtschaftlich zu wenig innovativ waren. Dass es keine wirklich funktionsfähige Verwaltung und keine Finanzbehörden gibt, die Steuern wirklich eintreiben. Dass Korruption, Vetternwirtschaft und Schwarzarbeit eher die Regel als die Ausnahmen sind. Die Fehlentwicklungen, Ineffizienzen und Strukturschwächen zu korrigieren, ist eine Aufgabe für Dekaden, nicht für Jahre. Daran ändert auch ein Steuerkommissar nichts.

Ein Gesamtpaket hat Rechte und Pflichten festzulegen. Es muss fordern, aber auch fördern. Es soll klar machen, dass ein gegenseitiges Handeln klüger ist, als ein einseitiges Zuweisen von Schuld. Konkret geht es um eine Durchsetzung des Gebotes, "wer die Musik bezahlt, bestimmt das Programm" und seiner Umkehrung "wer das Programm bestellt, bezahlt die Musik". Und zwar soll ein Einverständnis auf eine gemeinsame Strategie freiwillig und nicht erzwungen erfolgen.

Wofür entscheidet sich Griechenland?

Also: Griechenland hat die freie Wahl. Entweder es bleibt Euro-Mitglied und unterwirft sich den Regeln des in diesen Tagen - und damit deutlich schneller als ursprünglich geplant - beschlossenen Fiskalpaktes. Dazu gehören dann auch Schuldenbremsen und deren Kontrollen durch den Europäischen Gerichtshof, sowie die Akzeptanz eines europäischen Finanzkommissars, der darüber wacht, dass die Staatshaushalte langfristig saniert, die Finanzbehörden modernisiert und Steuerhinterziehung sanktioniert werden. Und als Gegenleistung sorgen die Euro-Staaten dafür, dass Griechenland den Euro behalten kann, obwohl es pleite ist und ein Schuldenschnitt von 60 bis 80 Prozent wohl nicht mehr zu vermeiden ist. Neben einem Schuldenerlass bedarf es auch noch für sehr lange Zeit weiterer durchaus massiver Geldtransfers, um die Transformation hin zu einer überlebensfähigen Volkswirtschaft zu erleichtern.

Oder Griechenland empfindet seinen Beitrag zur Problemlösung und eine Überwachung seiner Fortschritte von außen als eine "nationale Schande" und eine "Kapitulation" vor deutschen Forderungen. Es verweigert, einen Teil seiner nationalen Finanzautonomie unter ein europäisches Diktat zu stellen. Dann bleiben nur noch der nationale Alleingang, der Austritt aus dem Euro und die Rückkehr zur Drachme.

Anders als noch vor einem Jahr würde der Euroraum einen Staatsbankrott und Austritt Griechenlands heute viel besser verkraften können. Denn mittlerweile haben viele Gläubiger ihre Forderungen eh abgeschrieben, die Weltkonjunktur hat sich beruhigt, den USA geht es besser und die von den einen mit Bewunderung und den anderen mit Ärger beäugte deutsche Konjunktur ist stabil. Vor allem steigt das Vertrauen, dass Italien und Spanien ihre Wahl getroffen haben und bereit sind, ihren Beitrag zur Problemlösung zu leisten. Deshalb ist der Zeitpunkt günstig, jetzt auch Griechenland wählen zu lassen: zwischen Stolz und Bescheidenheit, Wunsch und Wirklichkeit, Emotion und Vernunft.