Erdogans Wirtschaftspolitik Immer neue Zinssenkungen – türkische Lira im freien Fall

Eine Frau tauscht in einer Wechselstube türkische Lira gegen US-Dollar
Diese Kurse der türkischen Lira sind vom Donnerstag  – und damit schon nicht mehr aktuell. Der Wert der Währung fällt immer weiter.
© Burhan Ozbilici/AP / DPA
Die Währung der Türkei eilt von Tief zu Tief. Nach einer erneuten Senkung des Leitzinses fiel die Lira erneut deutlich. Der massive Wertverlust ist jedoch politisch beabsichtigt.

Die türkische Lira ist am Freitag weiter gefallen, nachdem sie bereits am Donnerstag ein Rekordtief erreicht hatte. Zeitweise mussten für einen US-Dollar knapp 17 Lira gezahlt. Für 1 Euro waren 19,22 Lira fällig.

Der Verfall der türkischen Währung ist politisch beabsichtigt und eine Folge der Finanzpolitik Ankaras. Am Donnerstag hatte die dortige Notenbank den Leitzins trotz hoher Inflation und anhaltenden Drucks auf die Landeswährung erneut gesenkt. Sie stellte sich damit einmal mehr hinter die umstrittene Wirtschaftspolitik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der ist entgegen der gängigen Lehrmeinung der Ansicht, dass hohe Zinsen Inflation verursachen statt sie zu bekämpfen. Der Leitzins werde von 15 auf 14 Prozent gesenkt, teilte die Notenbank mit. Es ist die vierte Leitzinssenkung in Folge trotz der hohen Inflation von mehr als 21 Prozent.

Türkische Lira reagierte sofort auf die Leitzins-Senkung

Schon am Donnerstag reagierte die Lira unmittelbar und gab nach. Erstmals mussten für einen US-Dollar mehr als 15 Lira gezahlt werden, für einen Euro waren zum ersten Mal mehr als 17 Lira fällig. Am Freitag ging der Werteverfall der türkischen Landeswährung weiter. Seit Jahresbeginn hat sie rund die Hälfte ihres Werts zu Dollar und Euro verloren.

Ebenfalls am Donnerstag hatte Erdogan eine gut 50-prozentige Anhebung des Mindestlohns für das kommende Jahr auf 4250 Lira netto verkündet – umgerechnet etwa 240 Euro. Der Mindestlohn für 2021 beträgt 2825 Lira netto (rund 160 Euro). Mit dieser Erhöhung wolle die Regierung beweisen, dass sie die Arbeiter angesichts der Preiserhöhungen nicht leiden lassen wolle, sagte Erdogan.

Zugleich forderte er, den jetzigen Mindestlohn nicht mit Kursen von früher zu vergleichen, schließlich hätten auch damals Menschen nicht in Dollar verdient. "Es gibt im Moment zwar einige Probleme", die wolle man aber schnellstmöglich überwinden, ebenso die "Ungewissheit, die kürzlich mit den Schwankungen der Devisenkurse und den damit verbundenen extremen Preiserhöhungen entstanden ist". Gewerkschaften hatten teilweise eine Anhebung des Mindestlohns auf 5200 Lira gefordert.

Lebensmittel in der Türkei haben sich stark verteuert

Für die Menschen im Land hat sich das Leben in den letzten Monaten durch die hohe Inflation und die schwache Währung erheblich verteuert. Vor allem die Preise für Lebensmittel steigen stark.

Erdogan verteidigt seine Politik immer wieder gegen Kritik. Er spricht von einem "neuen Wirtschaftsmodell" und glaubt, mit einem niedrigen Leitzins den Export ankurbeln zu können. Mit einer lockeren Geldpolitik will Erdogan zudem für mehr Investitionen, Beschäftigung und Produktion sorgen. Wirtschaftsexperte Mustafa Sönmez kritisierte diesen Kurs scharf. Der Präsident wolle nicht sehen, dass er Unmut bei den Bürgern erzeuge, sagte er der dpa. Die Erdogan-Regierung bestehe auf "irrationale Schritte" und dränge das Land ins Ungewisse.

Quellen: dpa / "Finanzen.net"

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