So gesund wie derzeit waren die gesetzlichen Krankenkassen schon lange nicht mehr. Sie schwimmen im Geld, sagt sogar Jens Spahn. Dem CDU-Gesundheitsexperten leuchtet indes nicht ein, weshalb die Kassen Ende 2011 einen Überschuss von geschätzt 8,6 Milliarden Euro verzeichnen, davon aber nichts an die Versicherten zurückgeben wollen.
Klar ist: Die güldene Kassenlage beruht vor allem auf der positiven Entwicklung des deutschen Arbeitsmarkts. Die Beschäftigungsquote ist hoch, hinzu kamen die Lohnsteigerungen im vergangenen Jahr. Klar ist aber auch: Die Krankenkassen durften mächtig zulangen. Der Beitrag ist auf stolze 15,5 Prozent gestiegen, außerdem dürfen die Kassen Zusatzbeiträge erheben, was sie zum Teil auch taten, hinzu kommt die Praxisgebühr über 10 Euro pro Arztbesuch. Diese Geldquellen haben die Kassen gerne angezapft. An einen anderen Teil des Anfang 2010 beschlossenen Reformpakets wollen sich viele nicht erinnern: dass sie auch die Möglichkeit haben, ihre Überschüsse den Versicherten in Form von Prämien zurückzuzahlen.
Manche Kassenfunktionäre scheinen zu glauben, sie könnten Gewinne erwirtschaften, obwohl ihnen das als Körperschaften des öffentlichen Rechts verboten ist. Oder, schlichter gesagt: Es sei fair, über Zusatzbeiträge auf Teufel komm raus abzukassieren, aber die derzeitige Fettlebe nicht zu gefährden.
Übergangsgelder zugeschanzt
Diese Geldschwemme führt einige Akteure des Gesundheitswesens in die Versuchung, sich auf skandalöse Weise selbst zu bedienen. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Berlin zum Beispiel hat der Vorstand versucht, sich Übergangsgelder in Höhe von 183.000 Euro pro Person zuzuschanzen, obwohl diese nur beim Ausscheiden aus dem Amt vorgesehen waren - was nicht der Fall ist. Diese Abzocke hat sogar die Berliner Ärzte aufs Äußerste erbost. Endgültig ausgebremst ist diese Aktion noch nicht. Man will die Übergangsgelder jetzt schlicht in eine erfolgsunabhängige Prämie umdefinieren.
So aber war die Reform der Finanzierung des Gesundheitswesens nie gedacht. Was die Beitragszahler bei den Kassen abliefern, ist kein Spielgeld zur Bereicherung Einzelner.
Mehr Netto vom Brutto
Dies den Verantwortlichen beizubringen, ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen. Doch der FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr klammert den besten Weg zur Lösung bisher strikt aus: den Verzicht auf den Einheitsbeitrag, so dass der Satz wieder unter 15,5 Prozent gesenkt werden könnte. Warum greift Bahr nicht beherzter ein? Obwohl der Spruch "Mehr Netto vom Brutto" doch noch allen in den Ohren klingt? Offenbar will die FDP verhindern, dass die Kassen ausgerechnet im Wahljahr 2013, sollte es der Wirtschaft wieder schlechter gehen, die Beiträge wieder erhöhen oder gar Zusatzbeiträge erheben müssen. Das sähe nicht gut aus und würde auf Seiten der Arbeitgeber zusätzlichen bürokratischen Aufwand verursachen.
Also bleibt nur die Rückzahlung über Prämien, so wie es Spahn und mittlerweile auch Bahr fordern. Das Geld für schlechte Zeiten zu bunkern, ist keine Alternative. Denn das weckt nicht nur Begehrlichkeiten bei den Akteuren des Gesundheitswesens, sondern auch bei der Politik. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat schon ein Auge auf die aktuellen Reserven der Kassen geworfen und will den Bundeszuschuss kürzen. Es läge also im ureigenen Interesse der Kassen, selbst die Initiative zu ergreifen.