Wer glaubte, wenigstens mit seiner Lebensversicherung ein bombensicheres Finanzpolster fürs Alter anzusparen, muss umdenken. Bei so manchem »kleinen« Lebensversicherer sind die Kassen fast leer, einige kämpfen ums nackte Überleben. Auch die »Großen« können fette Gewinnversprechen nicht mehr einlösen.
Garantiezins wackelt
Für Millionen Kunden heißt das: Die Renditen schrumpfen weiter, im Alter wirft die Police tausende Euro weniger ab. »Selbst der Garantiezins wackelt langsam«, ist Peter Grieble, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Stuttgart, besorgt.
Lage noch nie so dramatisch
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs war die Lage der Lebensversicherer nicht mehr so dramatisch. Der Grund: Ein Großteil der Kundenprämien wird von den Firmen an den Kapitalmärkten Gewinn bringend angelegt. Damit soll erwirtschaftet werden, was dann nach Ablauf der Policen voraussichtlich ausgezahlt wird. Garantiert wird den Kunden nur eine Verzinsung von 3,25 Prozent. Altverträge aus der Zeit vor dem 1. Juli 2000 profitieren noch von teilweise vier Prozent. Was dann noch zusätzlich aus der Geldanlage herausspringt, ist der Überschuss - also der Profit, der die Police attraktiv macht.
Reserven schmolzen dahin
In Börsenboomzeiten setzte die Branche allerdings verstärkt auf Aktien. Mit den Kurseinbrüchen schmolzen die Reserven rasend schnell dahin. Dazu kommt, dass auch die festverzinslichen Papiere und Immobilieninvestments schwächeln. Die Folge: Schon 2001 musste ein Versicherer nach dem anderen seine Überschussbeteiligung nach unten schrauben. Zwischen fünf und sechs Prozent Rendite ist derzeit im Schnitt noch drin. Bis zu 7,5 Prozent hatte so manche Gesellschaft vor kurzem noch vollmundig versprochen - obwohl der Sinkflug an den Börsen da schon begonnen hatte.
Rendite von unter vier Prozent
Für 2002 sieht es wieder rabenschwarz aus. Die Kapitalmärkte erholen sich einfach nicht. Die Renditen werden nochmals mindestens um ein bis 1,5 Prozent runtergehen, ist sich Grieble sicher. »Es würde mich nicht wundern, wenn bei manchen weniger als vier Prozent übrig bleiben«, so sein trübes Fazit. Der einzige Trost: Bisher erzielte Überschüsse von Altverträgen bleiben erhalten.
Schieflage durch Bilanzkosmetik
Bitter könnte die Zukunft werden. Nicht einmal die Garantierendite ist nach Ansicht der Experten noch sicher. Denn die Schieflage der Branche könnte zu allem Überfluss noch durch veränderte Bilanzierungsrichtlinien verstärkt werden. Denn Aktien dürfen jetzt auch mit erheblichen Kursverlusten zum Einkaufspreis bilanziert werden. Durch die »Kosmetik« sieht es so aus, als habe ein Versicherer mehr Kapital - obwohl das tatsächlich schon lange zusammengeschmolzen ist. Solche stillen Verluste können sich jetzt auch in den Anlagen verstecken, welche die garantierten Gewinne absichern sollen. »Diese Neuerung, die die Branche unbedingt haben wollte, könnte wirklich einige Versicherer massiv ins Wackeln bringen«, zeigt sich Grieble besorgt und meint: »Wie soll man 3,25 Prozent Gewinn garantieren, wenn die Pleite droht?« Bei drei bis vier kleineren Versicherern scheint das Ende bereits absehbar.
Übernahmen wahrscheinlich
»Ich gehe aber davon aus, dass Branchenriesen die kränkelnde Konkurrenz übernehmen«, ist Grieble überzeugt. Damit könnten Kundenbestände günstig gekauft, der Markt bereinigt und weiterer Vertrauensverlust vermieden werden. In der Nachkriegszeit ist noch nie ein Versicherer in Deutschland in Konkurs gegangen.
Trotzdem nicht kündigen
Wer um seine Lebensversicherung bangt, sollte trotz aller Krisenmeldungen jetzt auf keinen Fall in Panik verfallen und kündigen, so Griebles Tipp. Das bringt nur Riesenverluste. Augen zu und warten auf bessere Zeiten ist angesagt. Auch wenn eine schnelle Wende noch lange nicht in Sicht ist. Sollten sich die Kapitalmärkte nachhaltig erholen, würden erst wieder ausgezehrte stillen Reserven aufgefüttert, bevor die Kundschaft wieder Geld sieht.
Berrit Gräber