Lebensversicherung Ältere Arbeitslose müssen "Kapitalleben" verkaufen

Hunderttausende Bürger, die jahrelang Geld für eine kleine Privatrente ansparten, müssen als Langzeitarbeitslose jetzt möglicherweise um ihr Auskommen im Alter zittern. Das Arbeitslosengeld II bringt die Privatrente ins Wanken.

Ob Lebensversicherung, private Rentenversicherung, Aktienfonds oder Bausparvertrag - solche, meist als Extra-Polster für den Ruhestand gedachten Geldanlagen müssen ab 2005 aufgelöst und verbraucht werden, wenn sie zum verwertbaren Vermögen zählen. Sonst gibt es keine finanzielle Unterstützung vom Staat. So sehen es die rigorosen Regelungen für das neue Arbeitslosengeld II vor.

Eigenverantwortung wird bestraft

"Wer über viele Jahre hinweg vorgesorgt hat, ist jetzt der Dumme", kritisiert Peter Grieble, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und betont: "Hartz IV trifft genau die Leute, die für sich selbst sorgen wollten. Die, die keine Mark privat zurücklegten, werden noch belohnt." Könnten sie kein anrechenbares Vermögen wie eine Lebensversicherung vorweisen, steige ihre Chance auf Arbeitslosengeld (Alg II). Auch Martin Künkler vom Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit in Berlin befürchtet, dass die Neuregelung zu einer spürbaren Altersarmut bei Langzeitarbeitslosen führen wird.

Vor allem ältere Betroffene mit Lebensversicherung gelten als die Leidtragenden. Sie werden sich gegen den Verkaufsdruck der Arbeitsagenturen kaum wehren können. Die Härtefallklausel, die eine 'Kapitalleben' schützen kann, greift nämlich nur dann, wenn der Versicherungsnehmer durch die Kündigung mehr als zehn Prozent seiner eingezahlten Beiträge verlieren würde.

Je länger die Laufzeit, desto eher die Auflösung

Policen, die schon seit 15, 20 Jahren oder noch mehr bespart werden, fallen aber nicht mehr unter diese Verlustgrenze, wie Grieble betont. Die Situation sei deshalb "abstrus": Je älter und gewinnbringender der Vertrag, desto eher muss er aufgelöst werden. Je jünger die Police, desto verlustreicher ist sie - und darf weiterlaufen. Wer sich also erst vor vier, acht oder zehn Jahren eine Lebensversicherung zulegte, dürfte ungeschoren davonkommen - und sie behalten.

Die Verbraucherzentralen fürchten allerdings, dass unzählige Arbeitslose ihre Kapitalleben jetzt in Panik vorschnell kündigen, um ab 2005 Anspruch auf Alg II zu haben. "Wir erwarten eine Storno-Welle", sagt Grieble. Überhastete Aktivität sei jedoch völlig falsch, warnt auch Andrea Hoffmann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen.

Nicht vorschnell kündigen

Gerade in Ostdeutschland hätten die meisten Betroffenen noch sehr junge Verträge. Kündigungen seien da nicht notwendig. Und auch für ältere Policen gebe es Hoffnung: Wurde nur wenig eingezahlt, hätten die geringen Rückkaufswerte die gesetzlichen Vermögensfreibeträge womöglich noch gar nicht erreicht, gibt Hoffmann zu bedenken. Verunsicherte Kunden sollten sich deshalb in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen aufklären lassen, bevor sie handelten.

Und auch für ältere Policen gibt es womöglich noch einen kleinen Rettungsanker, meint Künkler. Sein Tipp: Mit dem Versicherer sprechen und auf eine Änderung der Police drängen. "Was vereinbart werden sollte ist ein teilweiser Verwertungsausschluss", empfiehlt Künkler. Das heißt: Der Kunde kommt an einen Teil des Geldes bis zum Rentenbeginn nicht ran. Und zwar bis zur Höhe von 200 Euro pro vollendetem Lebensjahr. Nur dann stehe dem Arbeitslosen auch der zweite Freibetrag für die private Altersvorsorge zu, die Anlage sei bis zur Freigrenze geschützt, betont der Berliner Fachmann.

Verheimlichen oder verstecken bringt nichts

Wichtig ist allerdings, eine solche Vereinbarung noch vor Antragstellung für Alg II unter Dach und Fach zu bringen. Grundsätzlich sei eine solche Vertragsergänzung laut Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes möglich, sagt Künkler. Und auch Grieble meint: "Der Kniff könnte klappen, die Versicherungen müssten da mitspielen."

Ein "heißes" Eisen ist nach Ansicht der Verbraucherschützer dagegen das noch schnelle Überschreiben oder Schenken einer Lebensversicherung an nahe Verwandte oder Freunde. "Von solchen Verschiebungen sollte man die Finger lassen", warnt Grieble. Das Vermögen werde dem "alten" Besitzer nach wie vor angerechnet, wenn die Übertragung nicht schon vor zehn Jahren passiert sei. Auch das Verheimlichen von Policen, das Verstecken von Geldern oder ein Vermögenstransfer ins Ausland seien illegal und auf keinen Fall ratsam. "Die Kontrollen werden künftig deutlich verschärft, Daten werden abgeglichen, zurückverfolgt", warnt Grieble. "Wer seine Konten jetzt räumt und auffliegt, hat womöglich auch noch Nachforderungen am Hals."

AP · DPA
Berrit Gräber, AP